Geschrieben am 23.07.2022 21:05:09
Von
HannesP
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Ich habe an einigen Punkten einen etwas anderen Blick auf den Adriaverkehr von und nach GR.
Ganz sicher war der Jugoslawienkrieg ein entscheidender Gamechanger. Aber dieser externe Schock bot lediglich neue Rahmenbedingungen für interne Probleme der griechischen Fährbranche.
Mit ihren wie du schreibst "Dinosauriern" war sie nicht in der Lage, die wachsende Nachfrage zu händeln. Das Preisniveau für Endkunden war gemessen an heutigen Preisen sehr hoch. Relativ kleine alte Schiffe brauchten viel Öl und Personal, um relativ wenige LKW, Autos und Passagiere zu transportieren. Die Produktivität war eine andere als nach dem riesigen Investitions- und Modernisierungsprogramm einige Jahre später.
Ich erinnere mich, als Minoan Lines mit einem Joint Venture mit Strintzis vergeblich versuchten, dem Wachstumsproblem zu entkommen. 1995/1996 gab es den Joint Service, ähnlich wie heute bei Anek Superfast. Damit war sehr schnell wieder Schluss.
www.youtube.com/watch?v=wbr5nOaMW0A
Die wettbewerbsgestützten Kämpfe zwischen griechischen Reedereien um Marktanteile begannen erst nach einem weiteren externen Schock. Jahrelang mussten alle Adria-Wettbewerber ihre Fahrpläne und Tarife im Herbst Marktführer Minoan Lines vorlegen. Der entschied, zu welchen Konditionen der Service auf der Adria im nächsten Jahr angeboten wurde. Wettbewerber hatten sich an den von Minoan gebilligten Tarifen auszurichten. Also genau das Gegenteil von Wettbewerb. Der EU-Wettbewerbshüter durchsuchte die Chefetagen der Reedereien, brach dieses Kartell auf und verhängte Millionenstrafen.
tinyurl.com/h8xmx555
Du schreibst: "Nach dem Ende des Jugoslawienkrieges hatte sich die Lage für die Landfracht normalisiert. (...). Es wurden immer mehr Linien eingekürzt oder verschwanden ganz (Triest)."
Das mag sein. Dazu kam aber ein weiterer Schock für die Branche. Der Untergang der Express Samina.
de.wikipedia.org/wiki/Express_Samina
Minoan hatte die Eigentümergesellschaft der Fähre kurz zuvor auf seinem massiven Wachstumskurs aufgekauft und in seinem wachsenden Konglomerat offenbar die Kontrolle über grundlegende Sicherheitsmaßnahmen verloren. Die Schiffscrew schaute sich unter Deck eine Sportübertragung an. Ein unerfahrenes Besatzungsmitglied semmelte das Schiff gegen die gut beleuchteten Portes-Felsen vor Paros. Der Chef von Minoan Flying Dolphins, der Hellas Ferries mit der Express Samina zuvor aufgekauft hatte, sprang im Piräus von der Terrasse der Chefetage des Karageorgis Buildings und beendet sein Leben auf dem Dach eines japanischen Kleinwagens.
Die Börsenreaktionen waren massiv und lang anhaltend. Die Aktienkurse aller börsennotieten griechischen Fährgesellschaften rutschten aus dem zweistelligen Bereich unter die Marke für Pennystock. Erholt haben sie sich davon bis heute nicht. Anek liegt bei sechs Cent.
Dennoch schrieben die verbleibenen am Markt erstarkten Wettbewerber wenn auch nicht große, so doch aber jährlich Ergebnisse im schwarzen Bereich.
Der Autoput war schon Jahre wieder offen, doch die Trendwende bei den Ergebnissen kam erst mit dem nächsten Schock. Die griechische Staatsschudenkrise schlug zu. Sie zog die griechische Wirtschaft mit in den Abgrund. Die Zahlen im Handel Griechenlands mit der EU und folglich auch das Volumen der LKW-Transporte über die Adria brach ein wie ein fallender Stein. Von diesem Schock hat sich etwa Anek bis heute nicht erholt und erwirtschaftete allein im Vorjahr 40 Millionen Euro Miese. Zahlen für Grimaldi auf der Adria liegen nicht vor. Das Unternehmen ist nicht börsennotiert und unterliegt nicht den Veröffentlichungspflichten.
Insofern: das Ende des Jugoslawienkrieges und die wirtschaftlichen Folgen für die Adria-Fährwirtschaft waren sicher nicht ohne. Aber die Trendwende in die roten Zahlen bei den Jahresergebnissen kam erst sehr viel später mit der griechischen Staatsschuldenkrise.
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