Von
Berni88
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Ich war in diesem Herbst 2 Wochen an der Nordküste von Lesbos. Ich habe dort jeden Tag unzählige Flüchtlingsboote ankommen sehen und auch selbst immer wieder mit angepackt, wenn es darauf ankam, den Menschen aus den Booten zu helfen, sie mit Wasser und Obst zu versorgen, ihnen trockene Kleidung zukommen zu lassen oder alte Menschen mit dem Leihwagen zu Sammelpunkten zu transportieren.
Meine Erfahrungen: - die Griechen vor Ort profitieren bedingt von den Flüchtlingen. Sie spenden Wasser und Obst, behalten aber die zurück gelassenen Schlauchboote, von denen zumindest die Außenborder immer noch verwertbar sind. Ob sich diese bei der ungeheuren Flut an Motoren noch verkaufen lassen, kann ich nicht beurteilen. (Natürlich zurück an die Schleuser in der Türkei, aber solche Aktivitäten habe ich nicht beobachtet. Der Berg an Motoren wuchs eigentlich nur ständig). - die Profiteure sind die Schleuser auf der türkischen Seite. Für die Überfahrt zahlt ein Erwachsener ca. 2000, ein Kind 1000.- Euro. Je nach Größe passen 40 - 60 Personen auf ein Schlauchboot. Jede Überfahrt bringt den Schleusern, die übrigens selbst nicht an Bord sind, somit ca. 80.000 Euro Gewinn. - Auffallend, das es sich bei den Schlauchbooten stets um den gleichen Typ, der im Übrigen auch von der türkischen Marine genutzt wird, handelt. - Die Flüchtlinge sind über Mobiltelefone ausgezeichnet informiert und untereinander vernetzt. Anlaufpunkte, Adressen, erreichbare Helfer bei Schwierigkeiten sind für den gesamten Ablauf der Reise nach Europa, bis hin nach Deutschland, gespeichert oder über Apps abrufbar. Das Mobiltelefon ist für die Menschen wichtiger als ein Paar Schuhe. - Vor Ort kümmern sich Helfer verschiedener europäischer Hilfsorganisationen mit Freiwilligen aufopferungsvoll um die Flüchtlinge. - Bis hin zum täglichen Reinigen der Strände von den Hinterlassenschaften der Ankommenden - - Diese Organisationen sind sehr gut vernetzt, auch bis in die Herkunftsländer der Flüchtlinge. Sie haben sehr gute Informationen über die tägliche Zahl der Boote, die auf türkischer Seite ablegen, wann die Boote wo ankommen werden und wie sich die Besatzung zusammen setzt. Interessant ist, dass diese Zahlen jeden Tag deutlich höher lagen ( bis zum Faktor 10), als die Meldungen der griechischen oder deutschen Presseagenturen. - Diese Mitarbeiter sagten mir, dass sich viele Iraker unter den Flüchtlingen befinden, die sich unterwegs mit gefälschten syrischen Pässen versorgt hätten, genauso wie Usbeken und Pakistaner mit gefälschten afghanischen Pässen ankommen. - Die Flüchtlinge bewegten sich Anfang September noch in einem langen Marsch vom Norden zu mehr als 50 km entfernten Hafen im Süden, wo ihre Registrierung und der Weitertransport aufs Festland erfolgte. Ab Mitte September erfolgte dieser Transport von zentralen Sammelstellen aus mit Bussen. Ein kleines griechisches Marineboot kreuzte jeden Tag zwischen Lesbos und dem türkischen Festland. Ich habe mehrere Rettungsunternehmungen dieses Schiffes beobachtet, wenn es die Besatzung von Schlauchbooten mit defektem Motor oder einem Leck an Bord nahm und an Land brachte. - Die Zahl von 300.000 scheint mir angesichts meiner eigenen Anschauungen viel zu gering.
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