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Sonnenaufgang

Von Xristo

Es ist Viertel vor Fünf, als ich aufwache. Die ersten Hähne krähen, noch ist es stockdunkel. Ich lege mich wieder hin, aber der aufkeimende Gedanke an den Sonnenaufgang, vom Papas aus gesehen, verdrängt das Schlafbedürfnis. Nach 10 Minuten unruhiger Bettrotation steht mein Entschluss fest:

Los! Noch schnell eine Tasse Kaffee, ein Joghurt, Brötchen und Pfirsich runtergeschlungen. Als ich mich um halb sechs auf den kürzesten Weg mache, dämmert es bereits. Schneller! Ich nehme die sonst gemiedene neue Straße bis zur Westflanke des Berges, dann den immer steiler werdenden, direkten Weg über das Netz der Ziegenpfade hinauf zum Gipfelchen. Der rötliche Schimmer um das dunkle Massiv vor mir zerstört meine Hoffnung, doch noch rechtzeitig oben anzukommen. "Nur rechtzeitiges Kommen sichert gute Plätze". Mir als einem notorischen Zufrühkommer ist es eine heilsame Lehre. Ich werde jedoch keinesfalls bestraft, als ich nach einer Stunde Schnellgang keuchend den Horizont erblicke - über dem der Roussas-Bucht vorgelagerten Ziegeninselchen Skilonisi deutet die Sonne bereits an, welche Hitze sie uns heute bringen wird. In dieser Bucht hatten sich die deutschen Kreuzer "Guben" und "Breslau" zu Beginn des 1. Weltkrieges tagelang vor den Engländern versteckt, bevor sie von Wilhelm II an den Sultan von Konstantinopel verkauft wurden und durch die Dardanellen nach Istanbul verschwinden konnten.

Im Schatten des Betonpfahls auf dem "Gipfel" sitzend das grandiose Panorama zu betrachten, zu sehen, wie nach und nach die Steilküste des Kap Aspros angestrahlt wird, das Gefühl, den inneren Schweinehund überwunden zu haben, füllt mich aus, ich sitze und schaue. Der aufkommende leichte Nordwind zeichnet glatte Wege aufs kräuselige Meer. Stille um mich herum, nur untermahlt von Glöckchengebimmel und Ziegengemeckere. Da sehe ich sie wieder, die vielköpfige Ziegenherde. Der Oberbock ordnet sein Revier, umkreist ihre Herde, beschnuppert die jungen Ziegen an intimen Ziegenstellen - gibts eventuell etwas zu tun? Mir fällt wieder die Mythologie ein: Es war die Ziege Amalthea, die den Säugling Zeus in seiner Höhle am Ida ernährte. Ich suche den Pfad zurück, finde jedoch den Einstieg nicht.

Die 1983 kartografierten Wege sind inzwischen verschwunden. Daher gehe ich auf dem flachen Sattel des Kafála, an kleinen Haus- oder Stallruinen vorbei dennoch gemütlich weglos bis zum Bauernhof auf dem Trúllos. Hier oben in dem fast ebenen Gelände kann ich überall gehen, die Macchia lässt genügend Raum. Vorbei an einem üppigen Gärtchen, schon abgeernteten Terrassenfeldern, mehr kletternd, manches Mal stolpernd, finde ich immer wieder einen Pfad.

Durchgeschwitzt und lahm trotte ich auf mein Refugium zu. Da kommt mir Loni mit frischem noch warmem Brot entgegen! Eine schöne Heimkehr ungewohnt früh um halb neun. Das Morgenbad kühlt, das Frühstück stärkt, das Gefühl, jetzt schon das "Tagewerk" vollbracht zu haben, gibt mir eine große Zufriedenheit. Man muss sich nur aufraffen, auf den Tag zuzugehen und nicht warten, dass etwas passiert! Abends wird der Südwind erwachsen. Endlich tritt die erhoffte Linderung ein. Das glatte Wasser der Bucht verändert sich innerhalb von wenigen Stunden zum starken Wellengang.

Es ist kaum zu glauben! Es regnet auf Donoússa! Am nächsten Morgen ziehen dunkle Wolken auf - und wieder ab. Gegen Abend wird es dunkler und dunkler, das Blau verschwindet. Die Dunkelheit wird von Wetterleuchten über Naxos zerrissen. Langsam nähert sich die Gewitterfront, der erste Donner grollt. Die Gäste im Aposperítis nehmen nach den ersten Tropfen ihre Tische und verziehen sich in den "Wartesaal" der Taverne. Der Regen fällt gleichmäßig sanft und immer noch sind die einzelnen Tropfen identifizierbar. Kein deprimierender Regen wie bei uns. Hier fühle ich die Nässe positiv.

Die Insel ist nass, Pfützen bilden sich auf meiner Veranda. Wie erfrischend und aufregend kann Regen sein! Die jungen Kätzchen hocken irritiert unter den Geranien, sie kennen Regen noch nicht. Die Hauswand glänzt im Lampenlicht. Doch nach zwei Stunden hat sich das Unwetter verzogen. Die Sterne blitzen wie frisch gewaschen, die Nachtluft riecht würzig.

Reisetagebuch

Ausschnitt aus dem Reisetagebuch meiner 8 Reisen nach Donoussa, 220 Seiten mit Fotos und Freihand-Zeichnungen im Selbstverlag. Anfragen unter: mo.chri.wieth@t-online.de

Geschrieben 30.04.2007, Geändert 30.04.2007, 2249 x gelesen.

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Kommentare zu diesem Artikel

Kommentar von ios-fan vom 29.04.2009 17:02:41

.. ein schöner Beitrag ... lese diese gerne als Anregung meiner nun anstehenden 22ten (und mit Kindern 5te) Kykladenreise ... solche Wandertouren sind für mich auch ein 'Muß' auf den Inseln - einfach herrlich auf dem höchsten Punkt zu stehen und den Blick schweifen zu lassen !