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Boatyard made in Germany

Von Petros Milatos

Da standen wir nun. Keiner schenkte uns Beachtung. Niemand nahm Notiz von unserer Anwesenheit, außer diesem riesigen, schwarzen Zottelhund, der zwar zu dick zum Bellen war, es aber trotzdem versuchte.
Wir waren an der Tankstelle links abgebogen und fanden uns auf einem Hof wieder, der umgeben war von zwei Garagen, einem kleinen Fertighaus und einem alten Wohnwagen.
Wir befanden uns auf Frank’s Boatyard, der einzigen "Werft" weit und breit, wo man sein Boot rausholen konnte für die Arbeiten am Unterwasserschiff.
Frank kommt aus Norddeutschland und hat sich auf abenteuerliche Weise hier in Griechenland eine neue Existenz geschaffen. Er betreut, repariert und wartet Jachten, vermietet Muringbojen und Landliegeplätze. Seine Kunden sind zum großen Teil Deutsche, und das nicht von ungefähr, denn was er anbietet hat das Gütesiegel „made in Germany“ und damit kann ein Grieche nicht so leicht konkurrieren. Frank ist ein Mann mit Ideen, Initiative und Tatkraft. Er kaufte sich in Deutschland einen alten Kranlastwagen, der ei-gentlich verschrottet werden sollte und schaffte es, unter Aufbietung von viel Überredungskunst bei den deutschen Behörden, diesen auf dem Landwege nach Griechenland zu schaffen. Der Kran wurde zum Grundstock seines neuen Unternehmens, das auch schon bald zu florieren begann.
Hank bringt das mit, was man als Schiffseigner am meisten bei den griechi-schen Firmen vermisst: Gründlichkeit, Fleiss und Zuverlässigkeit. Er sah die ökonomische Nische und nutzte seine Chance.
Bald schon brauchte sein Betrieb neue Mitarbeiter, Er fand sie in einem schwäbischen Brüderpaar, die sich in Griechenland als Motormechaniker ihr Geld verdienen wollten.
Das hanseatisch-schwäbische Jointventure funktionierte erfolgreich und wur-de noch ergänzt durch die fleissigen Hände einiger Engländer, die in P.X. auf ihren Booten leben und so ihre Bordkasse aufbessern.
So gut, wie die Firma in technischer und organisatorischer Hinsicht reibungs-los lief, so gab es zu Beginn ein paar kommunikative Probleme im verwal-tungstechnischen Bereich. Das Kunststück war, griechische Mentalität mit deutscher Gründlichkeit zu vereinbaren. Aber Frank schaffte auch hier den Spagat und mittlerweile macht ihm da niemand mehr was vor.
Das süddeutsche Duo stand ihm mit schwäbischer Schaffensmentalität als kongeniale Mitarbeiter zu seiner hanseatischen Sachlichkeit zur Seite. Sie redeten nicht viel, dafür waren die Ergebnisse ihres Schaffens umso beredtere Zeugnisse ihrer technischen Versiertheit.
Dies alles wussten wir natürlich noch nicht, als wir nun etwas unschlüssig in besagtem Bootshof standen und einen Ansprechpartner suchten. Wir sollten aber schon bald einen ersten Eindruck erhalten..
Einen Monat zuvor hatten wir unser Eintreffen schriftlich angekündigt und hatten einige Male versucht, die Werft anzurufen, waren aber immer nur bis zum Anrufbeantworter vorgedrungen.
Wir klopften an die Wohnwagentür, hinter der wir das Büro vermuteten. Ein piepsiges "Ja?" war zu hören, kurz darauf wurde die Tür geöffnet und wir sahen uns einer zierlichen Person mit großer Brille gegenüber.
"Ja?"
Wir stellten uns vor, fragten, ob unser Brief schon angekommen sei und ob man unsere Nachrichten auf dem Anrufbeantworter erhalten hätte.
Große Augen und ziemliches Unverständnis auf der Gegenseite.
Wir nannten nochmals Namen und Schiffsnamen, und dann huschte so etwas wie die Spur einer Erinnerung über das spitznasige Gesicht von Gertie, der Sekretärin von Frank.
„Ach ihr seid das! Wahrscheinlich habt ihr dann außerhalb unserer Öffnungs-zeiten angerufen“.
„Wenn ihr Kranen wollt, müsst ihr direkt mit Frank sprechen!"
Danach wandt sich unsere "Empfangsdame" ab und schloss die Tür. Wir schauten uns sprachlos an, das war ja sehr direkt!
Es stellte sich heraus, dass Gertie mit ihrer Art genau den Ton traf, den man hier gewohnt war: Klar heraus, unverblümt und nicht drumrum. Für uns, sonst etwas mehr Redefluß gewohnt, zuerst etwas gewöhnungsbedürftig.
Mit der Zeit jedoch lernten wir, diesen Stil zu akzeptieren. Es hatte auch unbedingt etwas für sich, nicht erst lange „small-talk“ machen zu müssen, wenn man ein Anliegen hatte. So, wie es bei Griechen üblich war. Uns wurde auch klar, dass lange Vorgespräche einfach auch Arbeitszeit kosteten – und deshalb aus unternehmerischer Sicht überflüssig waren. Frank redete nicht viel, vor allem nicht viel drumherum. Er sagte, was aus der Sichtweise eines trockenen Hanseaten nötig war – mehr nicht. Wenn man ihn eine Weile kann-te, dann lernte man dies schätzen.
Anfang November kam Peregrin aus dem Wasser. Fauchend und rauchend wie ein urzeitliches Ungeheuer gebärdete sich der Kran, als er unser Schiff aus dem Wasser hob. Das Ungetüm nahm die zehn Tonnen Stahl einfach huckepack und schnaufte im Fußgängertempo zum Werftgelände. Natürlich über die öffentliche Uferstraße. Der Verkehr kam praktisch zum Erliegen, bis Peregrin auf seinen Stützen im Yard stand.
Es folgten arbeitsreiche Tage, in denen wir unserem "Dicken" die Muscheln und Röhrenwürmer vom Bauch kratzten und ihm einen neuen Unterwasser-anstrich verpassten.
Ab und zu kam aufmunternder Besuch von Freunden, eine Tasse Kaffee, ein kleiner Plausch als willkommene Arbeitsunterbrechung. Gelegentlich kam auch Frank vorbei und gab kleine Tipps, wie man Wasserpässe auch gerade hin bekommt, oder wie viele Anstriche Antifouling aufgetragen werden soll-ten. Doch mehr als diese spartanischen, aber auch nützlichen Hinweise, war selten aus ihm heraus zu bekommen. Er schien uns manchmal rastlos zu sein, aber auch unbeirrt, die Verwirklichung seines Traumes vom Leben und Ar-beiten in Griechenland zu erreichen. Mittlerweile, so hörten wir später, ist er etwas lockerer geworden, vielleicht ist er ja „angekommen“, wo er hin woll-te, zu wünschen sei es ihm.
Nach einer Woche "Baustelle" konnten wir endlich wieder zurück ins Was-ser. Peregrins blauer Bauch strahlte, wie er es in den nächsten Monaten wohl nie mehr wieder tun würde.
Alle hatten Grund zur Freude. Wir, weil wir das unbequeme Leben an Land hinter uns hatten, und Frank, weil er neuen Platz für neue Kunden hatte.
Kaum hatten wir uns winterfertig am Kai verkattet und vermurt, da war es endgültig vorbei mit dem schönen Spätsommerwetter. Mit Dauerregen und kalten Ostwinden kündigte sich der Winter an. Es kam die Zeit für Tee mit Rum auf dem Ofenbänkle.

aus:Peer Millauer: "Wanderjahre mit Peregrin - Leben und Segeln in Griechenland, Tunesien und der Türkei", BoD-Verlag, 3 Auflage, 2009, S.100 - 103,

Geschrieben 14.11.2009, Geändert 17.11.2009, 3583 x gelesen.

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