Von
Berni88
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Es sind doch nicht alleine die Schulden. Ein mindestens genauso großes Problem sind die fehlenden Strukturreformen. Solange die nicht angegangen werden, bleibt der Staatshaushalt ein Fass ohne Boden. Aber die notwendigen Reformen werden, wenn sie denn angegangen werden, zunächst weitere Probleme nach sich ziehen.
- Aufbau einer modernen und effektiven Verwaltung. Danach sind ca. 1 Million Staatsbedienstete in den verschiedenen Verwaltungen überflüssig und erhöhen die Zahl der Arbeitslosen.
- Errichtung eines Katasteramtes. Danach würde deutlich, wieviel Grundbesitz die Kirche, die einzelnen Parteien und ihnen nahestehende Personen und der griechische Staat insgesamt haben. Das würde zu Protesten, Forderungen und Verteilungskämpfen führen. Gleichzeitig könnte dann eine Grundsteuer erhoben und auch eingetrieben werden. Das fürchten die führenden Köpfe im Land wie der Teufel das Weihwasser.
- Effektive Korruptionsbekämpfung. Das würde an den Grundfesten des griechischen Wirtschaftssystems rütteln. Ein jahrhundertealtes Geben und Nehmen an der Steuer und allen Kontrollen vorbei, würde zusammen brechen. Wie soll man dann noch an ärztliche Leistungen kommen, wie eine Baugenehmigung für seinen Schwarzbau erhalten, warum nach dem Studium einen schlecht bezahlten Job im Beschaffungsamt des Verteidigungsministeriums annehmen?
-Anpassung der Löhne und Gehälter an die Produktivität Der vermutliche größte Schock. Griechenland hat die höchsten Lohnstückkosten in der EU. Jahrelang wurden Löhne und Gehälter massiv erhöht (Anführer war regelmäßig der Staatsdienst, andere zogen nach) ohne das dem auch eine entsprechende Produktivität gegenüber stand. Interessant wäre hier auch ein genauerer Blick auf die Macht der Gewerkschaften. Bezahlt wurde das auf Pump. Firmen, die im internationalen Wettbewerb standen, gingen Pleite. Systemimmanente Firmen, z. B. Transportunternehmen (Fährbetriebe, Fluglinien), Rüstungsunternehmen oder Banken und Versicherungen wurden mit Staatsgeldern gestützt. In anderen Branchen wurden über Lizenzvergaben und Monopolisierungen (LKW-Transporte, Taxen, Abbau der Rohstoffe) die Einkünfte gesichert und Konkurrenz ausgeschaltet. Hier jeweils Reformen durchzuführen, Märkte zu öffnen und den Staat aus der Wirtschaftspolitik ein Stück weit herauszuziehen, würde zunächst einmal weitere harte Schnitte bei den Einkommen bedeuten.
- Aufbau einer funktionierenden Finanz- und Steuerbehörde Stell Dir mal vor, es würde Steuergesetze geben und alle zahlen. Ein Systembruch gerade bei den vielen Selbständigen und Kleingewerbetreibenden. Das Eintreiben der Steuern bei den Einkünften, Einnahmen und Gewinnen und nicht mehr bei den Ausgaben (Mehrwertsteuer, Umlage über die Stromrechnung) würde den kleinen Arbeitnehmer entlasten, aber den Mittelstand erheblich treffen. Preissteigerungen wären die zwangsläufige Folge.
- Reformierung des Rentensystems Noch immer kommt es durch eine undurchsichtige Vielzahl an Ausnahmebestimmungen zu einer im europaweiten Vergleich einmaligen Frühverrentung. Frauen mit minderjährigen Kindern gehen mit 50 Jahren in Rente. Militärs durchschnittlich mit 45. Besonders belastete Berufsgruppen (dazu gehören mittlerweile neben den Polizisten, Feuerwehrleuten, Bau- oder Minenarbeitern für die das zunächst gedacht war, eine Vielzahl anderer Berufsgruppen. Z. B. Friseure, Lkw-Fahrer oder Schreibkräfte im Innenministerium) gehen in Frührente. Bisher kaum beleuchtet wurde die weitere Leistungsfähigkeit der verschiedenen Pensionsfonds. Angeblich sollen sie beim ersten Schuldenschnitt erhebliche Summen verloren haben und danach soll sich das Finanzministerium eines Teils der dort schlummernden Reserven bemächtigt haben. Wie lange hält das System dann noch? Wie kann es eine Reform überstehen?
Griechenland hätte all diese Probleme auch ohne den Euro, könnte sich dabei aber immer des Instruments der Währungsabwertung und des Anwerfens der Druckmaschinen bedienen. Damit könnten sie so weiter machen wie früher. Vielleicht sollte es auf all die Reformen verzichten, die Drachme wieder einführen und im Gegenzug würden ihm die europäischen Schulden erlassen. Eine Radikallösung!
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