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Urban Gardening: PER.KA in Thessaloniki

Geschrieben am 07.03.2013 16:51:38

Von
kokkinos vrachos
kokkinos vrachos

1453 x gelesen
5 Antworten

jassas, in schönes Beispiel, wie Menschen die Krise als Chance nutzen, zeigt der urbane Garten PER.KA. in Thessaloniki. Dessen Name ist die Abkürzung für „Periastikes Kalliergies“ = Urbane Kultivierungen (zugleich bedeutet „perka“ griechisch auch „Barsch“).

Da der Artikel aus Contraste – Monatszeitung für Selbstorganisation vom Juli/August 2012 online nicht vorhanden ist, und ich finde das das Projekt es verdient hat eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen, habe ich den Text mal abgetippt.

Wer in Thessaloniki ist, sollte bei PER.KA. mal vor bei schauen.

schönen Gruß, kokkinos vrachos

PER.KA. IN THESSALONIKI
„Es wird nichts verkauft“

Von Xenofon Zissis, Thessaloniki:

Die Initiative PER.KA. wurde im Januar 2011 von EinwohnerInnen der griechischen Stadt Thessaloniki ins Leben gerufen. Ihr Ziel war es, Gemüse und Blumen auf einem Feld in oder nahe der Stadt anzubauen, und zwar freudig und kollektiv und gemeinnützig.
Obwohl die Gruppe keine offizielle Satzung erlassen hat, ist sie sich in folgenden grundlegenden Prinzipien einig: der PER.KA.-Anbau soll die Bedürfnisse der Teammitglieder und gefährdeter gesellschaftlicher Gruppen decken. Es wird nichts verkauft, und es werden keine finanziellen Gewinne gemacht. Es wird nur nach den Prinzipien der organischen, biologisch-dynamischen Landwirtschaft mit natürlichen Ressourcen kultiviert, sodass ohne Chemikalien saubere, sichere, für den menschlichen Körper verträgliche Lebensmittel produziert werden. Die Tätigkeit kann auf der Basis von Teamarbeit, Kameradschaft, Gleichheit und Weiterbildung sowohl ein Forschungslabor werden, bei dem eine neue Art von sozialen und wirtschaftlichen Aktivitäten entsteht, als auch die Kluft zwischen Städtern und Bauern überbrücken.
Vom ersten Treffen im Januar 2011 bis Ende April 2011, dem Tag, an dem die Pflanzen in die Erde kamen, wurden mehrere Mitglieder-Treffen organisiert. Es kamen immer wieder neue Leute, gerade junge Menschen interessierten sich stark für die Initiative. Aus den Gesprächen ergab sich eine Reihe von Fragen. Schließlich wurden Parameter für die Anbaumethoden wie auch für die Zusammenarbeit festgelegt. Wir erörterten zum Beispiel, wie individuelle und kollektive Einheiten des Anbaus parallel geschaffen werden können. Wichtige Themen waren auch die Züchtungs-Prinzipien, wie man wassersparend arbeiten kann, das kollektive Eigentum an Werkzeugen, eine gerechte Aufteilung von Kosten für die Mitglieder abhängig von den Möglichkeiten des Individuums, die Beziehung der Mitglieder untereinander, die Entwicklung von Kollegialität und Kreativität, die Teilnahme der Gruppe an anderen sozialen Aktivitäten und die Unterstützung ähnlicher Initiativen.
Dabei war unsere Aktivität in dieser Zeit nicht nur theoretisch. Es wurden verschiedene Untergruppen gebildet, die die praktischen Aspekte der Landwirtschaft untersuchten: Auffinden einer geeigneten Landfläche und potentieller Lieferanten von Samen und Pflanzen, die Gewährleistung der Eignung des Bodens, die Qualität des Wassers zum Bewässern bzw. Regenwassernutzung, die Kombination von Transporten, um minimalen Kraftstoffverbrauch und Kohlendioxid-Produktion zu erreichen. Wir waren erstaunt, wie viele Menschen außer unserer Gruppe uns dabei ohne Geld geholfen haben – einfach weil sie neugierig auf unseren Versuch waren.
Auf den Versammlungen aller Mitglieder (acht an der Zahl innerhalb von drei Monaten) präsentierte jede Untergruppe ihre Ergebnisse, und es wurden Entscheidungen über den nächsten Schritt im Konsens und einstimmig getroffen. Das wichtigste Element war die Auswahl des Geländes. In verschiedenen Stadtteilen hatte wir Grundstücke entdeckt, die in Frage kamen. Schließlich entschieden wir uns für eine Fläche von 0,2 Hektar (2.000qm) auf dem ehemaligen Kasernen-Lagergelände Karatasou in Thessaloniki, das insgesamt mehr als 60 Hektar umfasst.
Ausschlaggebend für diese Wahl waren folgende Vorteile: Es war ein nahezu unbeaufsichtigtes Areal, wo es keine Privatisierung geben würde. Die Kommune war unter anderem aus bürokratischen Gründen nicht in der Lage, diese Landschaft zu pflegen. Dort wurde geplündert und Müll abgeladen. Aber das Wichtigste daran war, dass unsere Initiative – abgesehen von der möglichen Produktion von Blumen und Gemüse – die schon seit einigen Jahren existierende lokale kulturelle Initiative unterstützen würde. Gemeinsam mit diesen AnwohnerInnen würden wir uns bemühen, dieses Stück Land der Ex-Kaserne zu begrünen und frei von Gebäuden oder anderen gewerblichen Tätigkeiten zu halten, um hier eine Sauerstofflunge für die Stadt Thessaloniki zu schaffen.
In kürzester Zeit wurden die Wasserversorgung, Zäune zum Schutz vor den freilaufenden Hunden, ein kleiner Werkzeug-Schuppen und ein (symbolischer) Ziehbrunnen hergestellt. Das Grundstück wurde von wuchernden Pflanzen und reichlich herumliegenden Steinen gesäubert. Innerhalb kürzester Zeit wurde so viel getan, wie es keinerlei Privatunternehmen mit derselben Anzahl von Menschen je hätte schaffen können.
Einige von uns kannten sich mit Obst und Gemüse ganz gut aus, die meisten aber waren doch „Kinder der Stadt“ und konnten nicht mal zwischen Hacke und Schaufel, zwischen Tomaten- und Gurkenpflanzen unterscheiden. Aber unser wichtigstes Thema war nicht das technische Wissen: Es war die kreative und fröhliche Zusammenarbeit.

Es wurde nichts geklaut

Wir haben dann Ende April traditionelle griechische bzw. mediterrane Samen und Pflanzen organisch angebaut, ohne Dünger und Pestizide, mit minimalem Einsatz von Maschinen. Statt mit schweren Maschinen und Traktoren wurde fast nur mit den Händen und einfachen Werkzeugen gearbeitet, mit möglichst geringem Verbrauch von Wasser und Respekt für die übrigen natürlichen Ressourcen, mit Sorgfalt und maximaler Effizienz, um Reise- und Transportkosten zu reduzieren. Kollektivität, Kooperativität, Kameradschaft, positives Denken und Handeln und Verständnis für die Bedürfnisse der einzelnen Mitglieder des Teams rangierten gleichzeitig an erster Stelle und wurden parallel zum Verständnis der Natur-Zyklen entwickelt. Kritik des „Kapitalismus“ oder an dem „absurden politischen System“ war kaum zu hören. Unser Versuch galt sowohl für uns als für Hunderte andere Leute als ein pragmatischer Weg aus der Krise, vor allem aus der sozialen Krise.
Im Sommer des selben Jahres haben wir unsere erste Ernte eingebracht. Obwohl der Gemüsegarten ganz frei zugänglich und unbewacht war: Es wurde nichts geklaut. Hunderte von Einwohnern des Bezirks haben den Gemeinschaftsgarten regelmäßig besucht. Innerhalb von vier bis fünf Monaten wurden vier weitere PER.KA.-Gruppen gebildet. Gemeinsam mit der lokalen kulturellen Initiative haben wir die Gegend sauber und sicher gehalten. Die örtlichen Behörden konnten kaum glauben, dass 200 Griechen so gut kooperierten und mit „deutscher“ Genauigkeit und Produktivität funktionierten. Die Bezirksverwaltung hat vollständig die Kontrolle verloren. Sie hat versucht, uns das Wasser zu sperren, aber Kommunalbeamte (manche sind inzwischen schon als Mitglieder der nachfolgenden Perka-Gruppen eingeschrieben und kultivieren das Land) haben uns geholfen, alternative Lösungen zu finden und ein Wasser-Bohrloch in Betrieb zu setzen. Schließlich hat man uns mit Panzern bedroht – das ist kein Scherz! Deutsche Leopard-Panzer kamen auf das ehemalige Militärgelände gefahren und veranstalteten hier Manöver. Wir wurden rechtzeitig informiert und waren vor Ort. Soldaten und Gemüse-Bauern standen sich Auge in Auge gegenüber. Sie haben sich einfach nur angeblickt. Die Soldaten wagten es nicht, den Garten zu zerstören!
Hunderte, sogar Tausende von Bürgern der Stadt Thessaloniki haben bis heute diesen Freiraum besucht und kennen gelernt, mehrere Radio- und TV-Sendungen in Zentral-Mazedonien haben über unseren Versuch berichtet. Die ThessalonikerInnen fühlen sich nun mit diesem 62-Hektar Raum, dessen Wert auf mehr als drei Milliarden Euro geschätzt wird, verbunden und wenden sich dagegen, dass diese Landschaft verkauft wird, um die Schulden der Kommune oder des Staates zu begleichen.
Das Team PER.KA. hat den ersten gemeinschaftlichen Gemüsegarten in ZentralMakedonien gegründet – aber hauptsächlich hat es menschliche Schöpferkraft geweckt, Teamarbeit etabliert und vor allem den Optimismus erworben, dass letztlich wir – obwohl griechische Einzelgänger – zusammenarbeiten können. Im Gegensatz zur derzeit hier vorherrschenden Apathie und entgegen dem weit verbreiteten Pessimismus hierzulande haben wir durch unser Zusammenwirken die Menschen begeistern können.
Wir hoffen, dass diese Aktivität die EinwohnerInnen unserer Stadt dazu bringen wird, sich zu engagieren. Unsere Erfahrung wird auch weiteren Gruppen helfen, solche Projekte zu planen und zu realisieren. So kann sich eine neue Perspektive für spontanes und gemeinsames alternatives Wirtschaften in der Region entwickeln.

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Urban Gardening: PER.KA in Thessaloniki kokkinos vrachos 07.03.2013 16:51
Re: Urban Gardening: PER.KA in Thessaloniki Gast 07.03.2013 17:19
Re: Urban Gardening: PER.KA in Thessaloniki briam 08.03.2013 12:11
Re: Urban Gardening: PER.KA in Thessaloniki Katerina 09.01.2014 10:57
Re: Urban Gardening: PER.KA in Thessaloniki kokkinos vrachos 11.05.2014 20:19
Griechenland: Gemüsekaserne kokkinos vrachos 01.07.2014 00:34

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