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Nur für Nostalgiker! Autoput-Historie: Ein Tag im Juni 1991

Von weberakis

„Guten Morgen in der unabhängigen Republik Slowenien“ begrüßte uns ein freundlicher Zöllner am Grenzübergang Sentilj am 26.06.1991 um 7 Uhr morgens. Am Abend zuvor riefen beinahe zeitgleich Slowenien und Kroatien Ihre Unabhängigkeit von Jugoslawien aus. Das Schicksal des Vielvölkerstaates schien besiegelt.

Noch wenige Jahre zuvor gab es in der alltäglichen Berichterstattung weder Kroaten noch Serben, sondern schlichtweg Jugoslawen, deren Anführer seit 1945 Tito war und seit dessen Tod 1980 wurde es eben etwas unruhiger, das war es aber auch schon, was der geübte Mitteleuropäer von dem schwelenden Konflikt mitbekam. Und nun geschah das nicht für möglich gehaltene, diese Provinzen machten ernst mit Ihrer monatelangen Drohung.

Mein Vater wurde natürlich von allen Seiten gewarnt, diese seit 1979 traditionsgemäße Autoputfahrt diesmal zu unterlassen, da jeden Moment der bewaffnete Konflikt beginnen könnte. Gleichzeitig wurde er vertröstet, dass in ein paar Monaten sowieso alles vorbei sei, weil die jugoslawische Volksarmee in Prinzip aus lauter Deserteuren bestehen würde, ein fataler Irrtum für die Region wie sich die kommenden 8 Jahre herausstellen soll.

Aber in seiner sturen Art liess sich mein Vater nicht davon abbringen, sein Ziel, Athen bzw. Milos, auf diese Weise anzusteuern. So standen wir nur an der Grenze und, obwohl uns dieser Ort schon sehr bekannt war, hatte er diesmal etwas Unheimliches an sich - das Tor zum zerrütteten, unstabilen Balkan.

In der ersten Stadt nach der Grenze, Maribor, war alles wie immer - hektischer Morgenverkehr, nichts Auffälliges. Nach 60 km waren wir im Krapina-Tal und plötzlich stand eine Verkehrstafel „Republika Hrvatska“, keine Grenze, kein Zoll - nichts. Das soll die neue Binnengrenze sein? Wir hatten auch keine Ahnung, dass die Nord-Süd-Strecke in diesen Teil Sloweniens nur 70 km lang ist.

In Kroatien war die Lage an diesem Tag wesentlich angespannter. Beim Passieren der Hauptstadt Zagreb sah ich zum letzten Mal an diesem Ort eine Autobahnüberkopftafel mit der Aufschrift „Beograd“. Diese wurde umgehend mit dem nichtssagenden kroatischen Grenzkaff „Lipovac“ ersetzt.

Es war kaum Verkehr , v.a. südlich von Zagreb war es gespenstisch still, keine LKW-Überholduelle, kaum Gegenverkehr, es war wie eine Fahrt ans Ende der Welt, aber es fuhren zu diesem Zeitpunkt auch noch keine Panzer Richtung Norden, was sich in den nächsten Wochen ändern sollte.

Die Autobahn nach Beograd endete zu dieser Zeit bei Slawonski Brod. Diese Stadt an der Save sollte in den nächsten Jahren auch noch tragische Bedeutung erringen. Über Nacht wurde sie zur Grenzstadt zu Bosnien, 1988 übernachteten wir noch am anderen Ufer in Bosanski Brod, da es in Slawonski Brod aufgrund der Hauptreisezeit keine Zimmer mehr gab - damals durch eine banale Brückenquerung möglich - heute muss man eine Grenze passieren.

Danach ging die klassische Strasse der Brüderlichkeit (Bezeichnung für die jugoslawische Bundesstraße 1 vom Loiblpass / Kärnten - Gevgelija / Grenze Griechenland) bis ca.90 km vor Beograd klassisch, rumplig weiter. Schließlich erreichten wir Beograd zu Mittag ohne dass es auf dem Autoput irgendwelche Hinweisschilder angebracht wurden, dass man sich nun in Serbien bzw. Jugoslawien befindet.

Traditionsgemäß speisten wir auch diesmal im Hotel National direkt an der Stadtautobahn, wobei an diesem Tag der perfekte Service auffiel, der sonst eher kommunistisch geprägt war. Das letzte Mal sah ich das Titobild im Speisesaal. Bei meinem nächsten Besuch 1998 war dies schon durch Milosevic ersetzt - ein kleiner Hinweis, dass Tito 1991 scheinbar populärer als Milosevic war in Serbien.

Ab Beograd gestaltete sich die Fahrt im Grunde genommen wie immer, man hatte fast den Eindruck, dass die Vorgänge im Norden in diesem Teil des Landes kein Thema waren. Mein Vater hatte es dennoch eilig und war froh als er abends die Grenze nach Griechenland queren konnte. Sonst war er immer sehr bedacht darauf, in Jugoslawien zu nächtigen, da zu diesem Zeitpunkt jugoslawische Motels bei weitem komfortabler waren als griechische.

Abends stand ich in Polykastro im Hotel am Fenster und blickte zurück in den Norden und ich merkte richtig, dass eine kleine Epoche in meinem Leben soeben zu Ende gegangen ist.

PS: 6 Wochen später fuhren wir erstmals mit der Fähre über Ancona Retour. Im Juli 1998, zwei Monate nach Abzug der UNO-Truppen aus Ostslawonien fuhr ich erstmals als Fahrer den Autoput.

Geschrieben 24.01.2008, Geändert 25.01.2008, 5768 x gelesen.

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Kommentare zu diesem Artikel

Kommentar von weberakis vom 03.04.2009 19:43:49

Hallo Ulli!
Danke für Deinen Eintrag!
Das glaub ich Dir aufs Wort , dass es 1991 durch Ungarn die Hölle war, wir machten das 1989..furchtbar!!
MIttlerweile ist die Situation in keiner Weise mit den 80ern und 90ern vergleichbar.
Ungarn ist eine einzige Autobahnpiste, die man in 3 Stunden erledigen kann....
Naja , die Verkehrstoten gibt es auch nicht mehr in der Zahl, weil auch auf der restl. Strecke bis auf wenige Ausnahmen das Überholrisiko weggefallen ist...
Vielleicht wirds ja wieder mal was mit Deinem Comeback!
Liebe Grüße


Kommentar von rainerolymp vom 22.08.2008 17:53:59

Danke für den schönen Bericht,erinnert mich an meine letzte Autoput Fahrt übrigens auch 1991.
Weiss ich deshalb noch so genau weil am 23.7.91 mein Patenkind geboren wurde und wir einen Ouzo
im Pilion darauf getrunken haben.
Gruß Rainer