Reiseziel-Sponsoren Reiseziel-Sponsor werden

Mit dem Zug von Salzburg nach Thessaloniki (Teil 2)

Von strabsi

Am 27. September 2002 trat ich von Ouranoupoli die Rückreise an. Nach dem Schwimmen am Morgen (ca. 23° C Meerestemperatur!), einem "Metrio" und ein paar Einkäufen (Minimarket in der "2. Reihe" sehr freundlich und ausreichend sortiert, fahre ich mit dem Bus um 13:00 Uhr los. Ankunft in Thessaloniki-Βούλγαρι um 15:40. "Που πουλάνε τα εισιτήρια για το σταθμό του ΟΣΕ;" – "Επάνω στο περίπτερο!" –"Ευχαριστώ!" – Man bekommt die Ο.Α.Σ.Θ.-Fahrscheine (€ 0,44) nur an einem Kiosk links diagonal über die Kreuzung, also 2 x über die Fußgängerampel. Zurück geradeaus über die Kreuzung zur ΑΣΘ-Στάσις Βούλγαρι und von dort mit dem Bus Nr.10 zum Επιβατικός Σταθμός ΟΣΕ (= 1/2 Stunde in der HVZ [wann gibt es die nicht in Thessaloniki?]). Am Bahnhof habe ich noch genügend Zeit, um mich in einem "Minimarket" links vom Bus"bahn"hof mit Reiseproviant zu versorgen. Ein Liegewagenplatz nach Beograd zu buchen ist kein Problem, ich muß "nur" mit 1 Frau das 6er-Abteil teilen. Es stellt sich dann heraus, dass jene Frau und ich die einzigen Liegewagen-Reisenden sind, alle anderen Abteile sind leer, also "verteilen" wir uns, jede(r) breitet sich in "seinem" Abteil aus. Dem Liegewagenschaffner ist eh alles egal, auch dass ihn das OSE-Personal schimpft, weil er die Durchgangstür zum Liegewagen mit einem dicken Drahtstück (!) verriegelt hatte. Ausfahrt pünktlich durch grauslichen Industrieschrott, ein 2. Gleis ist total zugewachsen. Im griechischen Grenzbahnhof Ειδομένη/Idomeni schleppt ein griechischer Grenzer alle Pässe ab, sie müssen von der Polizei kontrolliert werden (offensichtlich gründlich, denn das dauert). Den Pass bekomme ich schließlich durch das Waggonfenster zurückgereicht. In 5 Minuten erreichen wir den Makedonischen Grenzbahnhof Гевгелија/Gevgelija, hier blendet mich der makedonische Grenzpolizist mitten ins Gesicht: "Granica!" und verschwindet sofort wieder. Ein zweiter kontrolliert einige Minuten lang meinen Pass, ein dritter noch einmal den Pass und fragt nach zu Verzollendem. Der Vorteil von Gevgelija ist, dass es hier Pljeskavica oder eine Art Čorba beim Buffet/Grill gibt, falls man gleich aussteigt oder bei der Bestellung der Liege-/Schlafwagenschaffner sich "anhängt". Unser Zug wird von einer MЖ/MŽ-Lok übernommen. Für den makedonischen Grenz"eintritt" ist ein "излаз" und für den "-austritt" ein gleichlautender "улаз" auszufüllen – und das bei dem "Funzellicht" des Liegewagenhalbdunkels. Bei Куманово/Kumanovo ist Makedonien schon wieder zu Ende. Um 00:10 Uhr beginnt bei Прешево/Preševo endgültig tiefstes Serbien. Die 1. Frage gilt dem nötigen Visum für Serbien. Wer es noch nicht hat, muss halt aussteigen, ca. 100 m nach vorne schlafwandeln und für € 6.— bei der "Банка" (= ehemaliger Wohnwagen mit geöffnetem Seitenfenster als "Schalter") einzahlen, mit der Quittung bei der Polizeistation im Freien (dzt. ca. 10°C) warten, bis im Tausch gegen die Bank-Quittung der Pass retourniert wird.

In allen größeren Bahnhöfen ein metallischer Klang, der mich entfernt an das nächtliche Simandron vom Berg Athos erinnert, aber hier geht natürlich der Wagenmeister von Ластово/Lastovo den Wagenzug entlang und prüft mit dem Hammer den Sitz der Bremsklötze – ist vielleicht ein Selbstlöser dabei? 07:05, kurz vor Мала Крсна/Mala Krsna mache ich einen Blick aus dem Fenster: wir sind wieder eingleisig unterwegs (Ниш/Niš – Ластово/Lastovo war doch noch zweigleisig?). Typisch: die JŽ-Signale mit den lang vorgezogenen Sonnenblenden. Eine EK, das Nachbargleis mit Schrankenbäumen gesichert, aber nur einer herunten, einer oben. Der Blick schweift ab: große, rechteckige Felder im Sonnenaufgang glänzen im Morgentau, braune Kukuruzfelder, reif für die Ernte. Der nächste Halt in einer Betriebsausweiche wird durch ein haltzeigendes AS verursacht, der Lokführer der ASEA 441 steigt gemütlich von seiner Lok und geht zum Signalfernsprecher. – Grün: Durchfahrt in Чичари/Čičari. Ein nicht ortsfestes Signal, eine kreisrunde gelbe Scheibe mit weißem Rand kündigt eine La an, der 50er beginnt ab einer rechteckigen weißen Tafel und endet mit einer runden grünen Tafel mit weißem Rand.

Ankunft in Београд/Belgrad um 08:45 (+ 115!). Wann habe den nächsten Zug weiter Richtung Salzburg? Um 10:30 der Ex 414 nach Ціріх. Hat sogar einen Speisewagen bis Jesenice. Also nochmals zurück, aber nicht in die Bahnhofsgaststätte rechts, sondern links in das kleine "Tschecherl" vor der Gepäcksaufbewahrung (Гардероба) auf einen türkischen Kaffee à la Beograd. Dort sitzt auch schon meine Reisebekanntschaft aus Würzburg und ich sage noch: "Also unsere Wege trennen sich doch noch nicht so schnell", als hinter mir jemand ruft: "Ja, ja, Herr Straberger" – Da sitzt doch glatt der "Klammer Baus" aus Gmunden, ein alter CFF-Kumpel, mit Schienen-Freund Markus R. aus Vorarlberg! Jahrelang trifft man sich nicht in Gmunden, Salzburg, oder sonst wo, und dann an einem Septembersamstag morgen in Beograd Hbf. Leider fahren sie um 12:15 über Budapest nach Österreich, sonst wäre das noch eine "feuchte Heimfahrt" geworden.

Ich sitze am vom tratschenden Personal entfernten Ende des Speisewagens Belgrad – Ljubljana des Ex 414 und habe Zeit, die Dinge laufen zu lassen. Da könnte man zum Beispiel ja einmal das WC inspizieren. Es gibt ja sogar eines im Speisewagen, man muß ja gar nicht in den Nachbarwaggon (unter Zurücklassen seiner Habseligkeiten) turnen. Tja, aber es ist nur mit einem Vierkant zu öffnen – also offensichtlich nur für das Personal gedacht. Der nächste Waggon, ein A, 1. WC: Türe lässt sich nicht öffnen, obwohl weißes Schaubild, Vierkant hilft nicht weiter. 2. WC frei, Waschwasser vorhanden, Druckknopf-Spülung funktioniert nicht (!), Trockenfön o.k. Das 2. Bier (weil es nur 0,33 Premium-Pils/Svetlo pivo) gibt leitet ein zur Frage nach einem Essen. Der Koch, der sich zwar auch lieber im Speiseraum als in der Küche aufhält, bietet nur eine Art Schnitzel mit Käsefüllung ("Cordon bleu") an, ich will Salat dazu und scharf à la Srbija. Das (Schweine-)Fleisch war allerdings etwas zäh. Ah, ja, Tische mit Plastikblumen bringen doch ein bisschen Farbe in den mit rotem "Plüsch" gepolsterten Waggon. Tak-tak-tak-tak: keine geschweißten Schienen. Šid/Шид – serbisch-kroatische Grenze: der 4. Lokwechsel bringt uns eine HŽ-Lok an die Spitze (die SGP-ASEA JŽ-JҖ 441-414 übernimmt auf der 5. einen Pers in die Gegenrichtung). Eine sehr freundliche Grenzpolizistin wünscht mir "Srećan put!" und ich danke mit einem ebenso freundlichen "Hvala lepo!" Ich bestelle einen türkischen Kaffee, er wird aber weder mit Wasser, noch Löffel, noch Serviette serviert. Abfahrt in Šid: 13:55 Uhr. Bf. Deletovici: ein zerbombtes Aufnahmsgebäude. Warum bummeln wir so? Schätzungsweise 60 km/h. Die Besucherfrequenz im Speisewagen ist überschaubar, ca. 1 Person/h. Eine Mitreisende darf ich interviewen. Sie ist halb Serbin/Kroatin, lebt seit 30 Jahren in der Schweiz, verheiratet mit einem Schweizer, fährt liebend gerne nach Serbien. Sie meint, dass das Verhältnis zwischen Serben und Kroaten jetzt fast wie früher (= vor dem Krieg) ist. "Ich bin eine stolze Bankfrau!" Hat in den 90er Jahren in der Schweiz in einem SBB/SSG-Restaurant gearbeitet.

Hier im Kola sa Spavanje i Ručavanje wird alles frisch gekocht; soeben serviert der Koch persönlich seinen Mitarbeitern eine Čorba. Die mitreisende Schweizerin fühlt sich da und dort zuhause. "Am Balkan schmeckt ein Paradeiser immer noch wie ein Paradeiser!" Sie hat Flugangst. Sie fährt nicht mit dem Auto, weil mit der Bahn könne man viel sehen, mit Menschen reden, die Reise wird also nie als zu lang empfunden. Sie muß nur 1 x (in Buchs) umsteigen. Der Schaffner habe ihr beim Gepäck geholfen. In Rorschach nehme sie ein Taxi, in Beograd werde sie von Verwandten abgeholt. Beograd – Rorschach: 20 Stunden (Buchs: 1 Stunde Aufenthalt). Als negativ empfunden werden die vielen Grenzen.

Kurz nach Zagreb, also noch lange vor der kroatisch-slowenischen Grenze (ich sitze alleine in einem Liegewagenabteil) werde ich von einem Uniformierten in einwandfreiem Deutsch zum Vorzeigen meines Reisepasses aufgefordert. Nachdem der korrekte Herr diesen genau kontrolliert hat, gibt er ihn mir zurück, bedankt sich und schickt sich zum Fortgehen an. Plötzlich dreht er sich jedoch um und sagte: "Einen Moment noch, kann ich ihn noch einmal haben?" – "Bitte sehr." sage ich etwas verwundert. "Wann sind Sie geboren?" – "Am 29. August 1940". – "Und wo?" – "In Wels" – "Wo liegt das?" – "Zwischen Linz und Attnang-Puchheim." – sage ich. Er gab mir den Paß zum 2. Mal zurück, bedankt sich und verschwindet. Das war keine Grenz- und damit verbundene Passkontrolle, warum gerade ich (und offenbar nur ich) plötzlich kontrolliert wurde, wird für immer ein Rätsel bleiben.

Da der Ex 414 in Schwarzach-St. Veit Richtung Innsbruck weiterfährt, werde ich spätestens in Schwarzach aussteigen müssen. Ein stets wachsames Auge läßt aber in Spittal die auf dem Bahnsteig vis-à-vis haltende RoLa nicht entgehen, der Verdacht, dass sie in Schwarzach weiter Richtung Salzburg fährt, bestätigt sich und gegen 3 Uhr früh "lande" ich leicht übermüdet aber wohlbehalten in Salzburg-Gnigl (Tfzf-Wechsel). So habe ich doch noch ein paar Stunden Schlaf und kann einer langen, aber schönen Reise nachträumen.

Geschrieben 02.05.2003, Geändert 02.05.2003, 3129 x gelesen.

Was möchtest du?

Kommentare zu diesem Artikel

Bisher gibt es noch keine Kommentare.