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Zentralkreta abseits: Hinauf nach Kapetanianá

Von Doreen

Fahrt nach Kapetanianá zu den Schuschniggs, Oktober 2002

In Kalamáki haben wir den letzten bei KRM erhältlichen Kleinwagen in einer für uns noch akzeptablen Preisklasse gemietet, einen ziemlich abgef...... älteren Fiat Uno, dessen Handbremse erstaunlich schlecht funktioniert. Aber was solls - sogar die italienischen Werkstattbetreiber schlagen bei Ankunft eines Uno die Hände über ihren Köpfen zusammen, erklärt mir Y (die Begleitung) - der Uno ist angeblich eine negative Ausnahme in der hochgelobten Fiat-Modellpalette -, die paar Tage werden wir schon damit zurechtkommen, und was sollen die netten Vermieter auch machen? Seit sie per Internet bekannt wurden, mit Kreta-Kauz und dem Mike-Mehlproducer-Verlag [Namen abgeändert, ich möchte hier keine Schleichwerbung machen, um wohlwollendes Verständnis der Betroffenen wird gebeten! "Ein bisschen Spass muss sein ...", trällerääää] gute Beziehungen pflegen, können sie sich zu bestimmten Zeiten vor Vorbestellungen kaum mehr retten. Und bis zum 20. Oktober wollten wir nicht warten. Sie sind nett, freundlich und zuvorkommend, und das ist schließlich auch wichtig. Schön ist beispielsweise, dass uns die sehr sympathische norddeutsche Angestellte abends um 9 hinauf nach Kamilari brachte, nach Rückgabe des Wagens - sie wohnt in Pitsídia. Sehr schön ist auch die generelle Hilfsbereitschaft von Giudizia [....] und ihrem griechischen Gatten.

Damit es auch mal lustig bleibt, hier gleich eine Buchempfehlung, in voller Schleichwerbung. Frangískos: Einstieg in den kretischen Alltag. Cretasommer-Verlag, 1. Aufl. 2002. Erhältlich in großen kretischen Buchhandlungen oder direkt bei: Cretasommer, Kountourioti Str. 65, 74100 Rethymno. Wirklich amüsante Geschichten und Erzählungen aus allen kretischen Lebensbereichen (Danke für den Tipp, Linzer Peter)!

Einigermaßen erholt von der Fahrt nach Keramés und den größeren und großen Geröllbrocken (Felsbrocken) auf der Hauptstraße zwischen Agía Galíni und Spíli infolge der Regenfälle und Erdabrutsche der Vortage, insbesondere aber der Rückfahrt in der Dunkelheit auf schwarzen Straßenbändern mit längst verblichener Mittelmarkierung, nächtlich verlockenden Abzweigen (stellenweise gerader weiterführend als die Hauptstraße selber) und schmerzlich fehlenden Begrenzungspfosten mit reflektierenden Katzenaugen, machten wir uns an eine Exkursion in die Asteroússia-Berge, mit wahrhaft hoch gestecktem (hinter den Bergen VERstecktem, eher) Ziel.

Erst einmal in Listaros vorbeischauen, hinter Sivas, im Ort gewagtes Wendemanöver, total eingeklemmt zwischen Häuserecken und griechischen Neuankömmlingen, die in die Luft guckend ganz bedächtig hinter dem Steuer verharrten, bis wir es raus hatten, um welche Ecke sie nun eigentlich biegen wollten und wie bzw. wo hinter wir entsprechend manövrieren sollten. Das sind Erlebnisse eines eingefleischten Fußgehers! Ein völlig neuer Blickwinkel, ausgezeichnet geeignet gegen Verkalkung und Verkrustung.

Wir haben dann auf freier Strecke Granatäpfel - geklaut, ich sag es zerknirscht. Auch die wilden Weintrauben daneben dufteten verführerisch, allerdings nach WEIN, deshalb durften sie dranbleiben! Man muss ja auch in die Zukunft blicken, NUR gleich zugreifen oder gar zurückschauen ist schlecht, außer in den Rückspiegel, wenn ein motorisiertes Dreirad bei 60 zum Überholen ansetzt!

Es ist schon ein Zickzackkurs, durch die hübschesten kleinen Dörfer und den kretischen Regionalwahlkampf (!), manche das Dorf blockierende Bauernkleinlaster lassen sich gerade zu Wahlzeiten von zwei Fremden gar nicht zum Weiterfahren bewegen, angefangen in Petrokefáli, und irgendwann gerät man dann doch zu weit nach links oder rechts und findet sich kurz vor Mires oder Ágii Deka wieder, oder zu Füßen von Felswänden in Vassilikí, wie wir, wo man dann wiederum die falsche Abzweigung nimmt und nach Vagioniá zurückfährt, statt abzukürzen.Aber Wadschioniá ist so oder so ein guter Ausgangspunkt und Einübungsort für eine kurvige Bergstrecke, es fehlt zwar die dritte Dimension, aber kurven, und wie eng!, lässt es sich da allemal. Ein ganz uriger Ort, jedenfalls. Gunnar kauft da für seine Pensionsgäste ein, denn der Laden (Nudeln, Corned Beef, griech. Kaffee - basta!) oben in K. war noch nie auf Großstadtniveau und hat jetzt folgerichtig dichtgemacht.

Wir nähern uns Loúkia (Luhtscha, - Lutscher!), und überall Kürbisse, eine Spezialität der Gegend ("country bumpkins, ääh "pumpkins" hier, sozusagen). Das früher etwas abweisende Dörfchen mit den roten KKE-Aufschriften an den Häuserwänden hat seinen Widerstand gegen deutschsprachige Hausaufkäufer wohl allmählich abgemildert. Damals wurde ich im ersten Kafenio z. B. regelrecht abgewiesen (nachdem mich ein Rasenmähergefährt eines bestimmt auch nicht Reichen quer über die Ebene mitgenommen hatte), im zweiten, am oberen Ortsende links der Auffahrt nach K. dafür umso freundlicher aufgenommen. Vorsichtshalber parken wir, etwas schräg wegen Hanglage, gleich vor dem zweiten, ein ganz einfaches, mit Panoramablick über die Messará und auf die schwarze Wolkenwand, die sich von West her näherte, Schlimmes ankündigend. Es sollte dann aber gar nicht so schlimm werden. Schlimm höchstens für die freundliche junge Dorfbewohnerin, der ich unter den prüfenden Augen versammelter männlicher Stammgäste (- es wurden nach und nach immer mehr, typisch für abgelegenere Orte beim Eintreffen Fremder; ich erinnere mich an eine Wanderung nach Koustoyérako, wo ich einmal notdürftig im ersten Kafenio bewirtet wurde und bald das ganze Dorf um mich herum Platz genommen hatte - kreisförmig und echt beunruhigend, diese forschenden Blicke beim Essen von 2 Spiegeleiern mit frisch abgeschnittenem Gartensalat! Einige davon alte Partisanen, und ich Deutscher!) fast schon ins Ohr flüstere, dass meine weibliche Begleitung griechischen Kaffee, métrio, dipló, MIT MILCH haben will (!). Aber darüber geht auch die Welt in Loúkia nicht unter, und man nahm es ganz gelassen, was mir ein echtes Fragezeichen bereitete (diese Art von Kaffe ist übrigens echt gut, mal probieren! Ich bin süchtig geworden). Da ich Macho sein musste, sollte es für mich ein normaler Métrio sein (- leider!).

Nun beginnt die Auffahrt auf der weitgehend schon asphaltierten Serpentinenstraße. Die schwarze Gewitterwand im Nacken, von den Wolken bald eingenebelt, fast ein mystisches Erlebnis, wäre da nicht das Motorgeräusch. Wieder viel Geröll auf der Fahrbahn. Die ungeteerten Teile der Strecke durchaus ganz gut befahrbar, oben allerdings etwas Parkprobleme, warum wohl? Starker Regen setzt ein, der großartige Kófinas, so leicht von seiner Nordflanke her zu erklettern (auch für Laien), gar nicht zu sehen. Vorbei an dem kleinen Hundehäuschen - mit inzwischen neuem Hund, ebenfalls so kurz angebunden wie der frühere - wandern wir unter den Augen von kichernden Jungs das obere Dorf durch den Regen hinunter, und ich zweifle schon an meinem Erinnerungsvermögen, als endlich, am Dorfende, linkerhand das Gartenpförtchen zu Gunnar und Luise Schuschnigg's (wahrhaft historisch bedeutsamer Name!) Reich auftaucht. Alles hübsch hergerichtet, ein größeres Hundehäuschen mit Inhalt im Garten, Treppen, schön gebautes Haus, eine überdachte Terrasse mit großem Tisch quasi als Vorraum zu den beiden gemütlichen Aufenthaltsräumen um die Küche herum, eine integrierte kretische Kapelle als eines der Kinderzimmer, dahinter Stufen zu den neuen Fremdenzimmern, herrliche Aussicht nach Aufhören des Regens. Sogar ein Aquarium haben sie dort oben in der Bergeinsamkeit eines sich immer weiter entvölkernden Dorfes. Und einen PC mit Internetanschluss. Wohligste Wärme, Schutz vor den Unbilden des Wetters.

Luise erkennt mich gleich wieder, auch Gunnar (Berufskoch und handwerkliches Multitalent, das sogar Klöster renoviert, wenn ein Auftrag kommt), trotz der vielen Jahre, die vergangen sind, seit ich das letzte Mal bei Ihnen wohnte. Damals gab es noch die einer Deutschen gehörende, aber von den Schuschniggs verwaltete so genannte "Berghütte" mit Stockwerksbetten und deutlich mehr Ü-Möglichkeiten als jetzt weiter oben im oberen Dorf.

Es sind sehr freundliche, herzensgute Menschen, die beiden. Ihr Hauptbroterwerb sind die Wandertouren, botanische usw. Exkursionen durch ganz Kreta und sogar nach Tunesien, Klettertouren am Kófinas. Luise verkaufte auch selbst gewebte Kleidung. Überall hängen Gemälde österreichischer Freunde an den Wänden.

Nur der einer der Söhne ist da, selbst schon (fast) erwachsen. Gunnar hat jetzt einige graue Strähnen, sich aber wie seine Frau ansonsten sehr gut gehalten. Er hantiert fleißig in der Küche an einer Menge Portionen eines Fleischgerichtes im Backofen herum. So viele Esser hätten zimmermäßig hier bei weitem nicht Platz, aber die tüchtigen sächsischen Wandersleute, die sich hier fuß- und auch klettermäßig schon gut bewährt haben, sind für ihr letztes großes Schmausen auf Kreta eigens noch einmal aus der Gegend von Mátala per Mietautos heraufgekommen. Kein Wunder, hier herrscht eine besondere Atmosphäre und Herzlichkeit. Ich sollte es aber sagen: Anmeldung ist hier wirklich erwünscht, denn es kommen laufend unangemeldete Durchwanderer vorbei, die nicht immer eines der wenigen Zimmer bekommen können, und die Wirtsleute sind häufig auch gar nicht da, weil sie eine Exkursion führen oder auch einmal zu Hause in Austria verweilen. Und normalerweise gibt es auch nur abends großes Essen für die Zimmergäste, neben dem Frühstück. Den Proviant für Mittag - da ist man sowieso in der Regel auf Achse - besorgen die Schuschniggs auf Wunsch.

Denn was für großartige Wanderungen lassen sich von hier aus unternehmen! Steil bergab zum Meer, zu einer Höhle mit Kapelle, einer großen Sommersiedlung, nach Ost hin zum schönen Kloster Koudoumá mit hübschem Strand, teilweise in einer Höhle (- der Strand) und je nach Bedarf weiter nach Tris Ekklisiés und bis Tsoútsuros am Ostende der Küstenbergkette - dann natürlich ohne Rückkehr. Die etwa 700 m Höhenunterschied zwischen Kapetanianá und dem Meer sind nicht jedermanns Sache, und der Rückweg ist verdammt schweißtreibend (ich spreche aus mehrfacher Erfahrung), aber es gibt inzwischen auch Fahrstraßen, zumindest in weitem Bogen am Kófinas nördlich vorbei hinunter zum Kloster.

Dann die paar Kilometer auf Feldwegen zu besagtem Berg, leichter Aufstieg, wenn man weiß, wo der kurze Steig beginnt. Sieht von W her wirklich toll aus, wie der Saphir oder Diamant eines Plattenspielers.

Autofahrer sollten besser mit gut gefülltem Tank heraufkommen, um die weiten Bergfahrten mit Traumausblicken (natürlich!), bewältigen zu können. Gelegentlich sieht man sogar einen Bergadler kreisen oder zumindest eine Schar großer Bergdohlen. Östlich des Kófinas ein in einer Senke mitten im Gebirge verstecktes uriges Dorf, daneben noch mehrere andere weltabgeschiedene Dörfer. Wohin all die Feldwege nun führen, fragt ihr besser die Schuschniggs, ich bin nicht mehr auf dem Laufenden. Ich hab aber schon eine Verbindung bis hinunter nach Léndas (nach Westen) auf Nebensträßchen ausfindig gemacht. Ob es die tatsächlich gibt?

Das Wetter bessert sich und man steht sprachlos vor der Berg- und Meer- und Dorfkulisse.

MartinPUC, Oktober 2002

Geschrieben 22.11.2002, Geändert 22.11.2002, 1194 x gelesen.

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