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Das Amt - der ganz normale Athener Wahnsinn (Teil 2)

Von Der Athener

Ich quartierte mich im Sommerhaus meiner Schwester, ca. 30 Kilometer vom Zentrum Athens am Meer gelegen ein am 17. Dezember 2001, und nach freudiger Begrüßung und Planung für Silvester machte ich mich gleich am nächsten Morgen auf den Weg in die Stadt. Ich hatte ja alle benötigten Papiere dabei und war mir sicher, daß der ganze Vorgang innerhalb eines, maximal zwei Tagen zum Abschluß gebracht werden konnte. Für die 30 Kilometer ins Zentrum benötigte ich gerade mal drei Stunden mit dem Auto, Anbetracht der nahenden Feiertage und der panikartigen Einkaufswut, die auch vor meinen geliebten Athenern nicht halt macht in diesen Tagen, fast ein Rekord. Auch ein Parkplatz in unmittelbarer Nähe der Versicherungsgesellschaft, nur ca. 50 Blocks weiter, in einem anderen Stadtteil war den Umständen entsprechend in einer weiteren Stunde schnell gefunden, der Fußmarsch vom Auto zum Ziel war bei dem herrlichen, fast sommerlichen Wetter sehr angenehm. Und so begegneten wir uns wieder, Frau Angeliki und ich, mittlerweile war sie keine Hexe, aber auch keine Göttin mehr, erstaunlich wie die der eigene Gemütszustand einen Menschen einmal so und einmal anders erscheinen läßt. Tatsächlich fehlte nichts in den mitgeführten Papieren, alles war ausreichend, die Übersetzungen wurden akzeptiert und innerhalb weniger Minuten hatte ich die begehrte Bescheinigung über die auszuzahlende Versicherungssumme.

Mein Unterbewußtsein registrierte den mitleidigen Blick, als Frau Angeliki mir sagte „So und damit brauchst Du nur zum Finanzamt zu gehen und eine Bescheinigung über eine Schenkung ausstellen zu lassen“ Mein Unterbewußtsein registrierte wie gesagt das Mittleid, aber mein Verstand überhörte diese Alarmglocken. Auch meine Frage, welches Finanzamt denn zuständig sei wurde von Ihr schnell geklärt. Ein Anruf bei den Anwälten der Versicherung und ich wußte mit 100% Sicherheit, wie Frau Angeliki mir versicherte, daß die Finanzbehörde im Zentrum, Nähe Omonia , für meinen Fall zuständig war. „In der Likourgou Straße“ fügte sie noch eifrig hinzu „ganz sicher, glaube ich, vielleicht. Ach ja, und noch etwas... Ich brauche die Bescheinigung bis Freitag, weil danach stellen wir auf Euro um hier und können bis Ende Februar keine Zahlungen mehr leisten“ „Zwei Monate lang stellt Ihr auf Euro um?“ frage ich verständnislos. “So ist es“ sagt sie “Ich kann es nicht ändern, ihr wolltet den Euro doch“. Dabei hebt sie die Schultern, hält beide Handflächen nach oben, neigt den Kopf etwas zur Seite und schaut aus den Augenwinkeln unschuldig an eine Stelle an der Decke.

Für einen Moment war ich geneigt mich für die unverschämte Einführung des Euros bei Ihr zu entschuldigen, der Währung ich mit aller Gewalt eingeführt hatte, aber die aufkommende Panik, daß ich nur noch wenige Tage zur Verfügung hatte, wenn ich diesen Vorgang noch in diesem Jahrzehnt endlich abschließen wollte ließen mich von dem absurden Vorhaben Abstand nehmen. Ein Blick auf meine Armbanduhr machte mir bewußt, daß es keinen Sinn hatte den nächsten Behördengang noch heute in Angriff zu nehmen, Ich war in Maroussi, zehn Kilometer vom Omonia entfernt, vergleichbar mit einer Reise zur Antarktis wie mir jeder zustimmen wird, der den Athener Verkehr kurz vor Weihnachten kennt. Außerdem verschließen die Finanzämter pünktlich um 13:30 dem eifrigen Steuerzahler unbarmherzig Ihre Pforten.

So nutze ich die Zeit und besuchte nach 20 Jahren die Deutsche Schule Athen einmal wieder. Ich betrat das Gebäude, die erste, die zweite Etage. Ich schloß meine Augen und als die Klingel zu Pause ertönte, die Kids in die Gänge und auf den Hof stürmten war ich wieder der kleine Ralf von 12, 13 Jahren, blond, fast weiß seine Haare. Ich sah mich das Treppenhaus hinab eilen, Richtung großen Schulhof, wie er genannt wurde, mit Kleo Efthimiou, Alfred Schmidt, Manfred Weiss und wie sie alle hießen, meine Freunde und Schulkameraden aus dem Siebzigern. Ich öffnete meine Augen, war wieder im jetzt betrat eines der nun leer stehenden Klassenzimmer, setzte mich in einer der hinteren Reihen, und wieder machte ich einen Ausflug in die Vergangenheit. So sah ich ihn wieder, meinen Lehrer, den Leuze, vor meinem geistigem Auge, wie er in seinem schwäbischen Dialekt Fakten und Daten aus der Geographie herunterleierte, so langweilig und monoton, daß unsere kindlichen Gemüter gar nicht anders konnten, als mit Kaugummis und Saites, (aus Papier geformte spitze kleine Flieger, die zwischen die Zeigefinger genommen wegkatapultiert werden) nach ihm zu werfen. Und ich sah vor meinem geistigem Auge wie der korpulente kleine Schwabe sich mit ungeahnter Gewandtheit auf dem Absatz umdreht, mit den Finger auf mich zeigt und mit seinem Standardspruch „Nicolaus, Extrablättchen“ konterte um sich blitzartig wieder Richtung Tafel zu drehen und seinen monotonen Monolog weiterzuführen. Ja Lehrer Leuze und seine Extrablättchen, kleine Strafarbeiten über den Stoff des Tages, die die Eigenheit hatten sich zu verdoppeln, wenn man sie zur nächsten Stunde nicht ablieferte. Dann waren es schon, zwei, dann vier... und so weiter. Einige von uns waren teilweise mit 64 im Rückstand. Wie mag es ihm heute gehen, dem Lehrer Leuze. Ich verweilte noch eine Weile in meiner Jugend und dann den Weg zum Sommerhaus anzutreten.

Wir hatten einen schönen Abend im Kreise meiner Familie, die mir in Deutschland lebend, sehr fehlt immer. Natürlich sprach ich die Ereignisse des Tages an und auch die noch vor mir liegenden Dinge, die es da zu erledigen galt. Sophie, meine Stiefmutter, eine erfahrene griechische Behördengangspezialisten, unterbreitete mir sofort die anzuwendende Strategie, die ich besser verfolgen würde um das Ziel zu erreichen. „Du mußt einen Weg finden, daß sie Mitleid mit Dir haben, nur so geht das“. Auch meine Schwerster gab Ihre Einschätzung zum besten... „Oli Malakes ine stin Eforia“ (Es sind alles Wichser beim Finanzamt). Mir wurde schnell klar, daß weder die eine, noch die andere Erkenntnis mir von großer Hilfe sein würde und somit entschloß ich mich die Dinge auf mich zukommen zu lassen und mich im richtigen Moment auf meine weibliche Intuition im Manne zu verlassen.

Geschrieben 06.03.2002, Geändert 06.03.2002, 970 x gelesen.

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