Der Großstadtgrieche

Es ist wahr, die meisten Griechen entsprechen immer noch unseren Vorstellungen: (gast)freundlich, hilfsbereit, gut gelaunt. In den meisten Ferienzentren und vor allen in den Dörfern trifft man auf diese Menschen, deren lockere Art wir so sehr bewundern.

Hält man sich einige Zeit in einer der Großstädte Griechenlands auf (Athen/Thessaloniki), wird man eine ganz andere Spezies kennenlernen: hektisch, aggressiv, abweisend. Dies macht sich vor allem im Straßenverkehr bemerkbar. Jeder sucht sich rücksichtslos irgendwie seinen Weg durch den Asphaltdschungel, und wenn man sich nicht an diesen Fahrstil anpaßt, kommt man nie ans Ziel.

Auch wenn das Fahrzeug ein ausländisches Kennzeichen trägt, was bedeuten kann, daß die Insassen nicht vertraut sind mit den griechischen "Verkehrsgesetzen", gibt es kein Pardon. Fährt man zu langsam oder hält an einer Kreuzung etwas länger, da man immer noch nicht weiß, ob man nun nach rechts oder nach rechts oben abbiegen muß, wird erbarmungslos gehupt, und man bekommt die geöffnete Hand mit den ausgestreckten Fingern (zu vergleichen mit dem "Vogelzeigen" in Deutschland) entgegengestreckt - BAFF! Als mein Mann diese Unsitte einmal selbst praktizierte - er hat eben immer noch griechisches Blut in den Adern - wurden wir sogar vom "Beleidigten" in seinem alten Lieferwagen verfolgt und beschimpft, und ich stand Todesängste aus um unseren schönen, gepflegten, von allen bewunderten Wagen (ich wollte doch damit noch nach Hause kommen).

Die Taxifahrer sind noch schlimmer. Aber davon in einem anderen Bericht. Beim Einkaufen im Supermarkt ist (der)diejenige am schnellsten, der die breitesten Schultern bzw. den mächtigsten Busen hat. Mit beidem kann man sich wunderbar durch die übrigen Kunden hindurchstoßen.

Bittet man einen Großstadtgriechen freundlich um irgendeine Auskunft (auf Griechisch selbstverständlich, alles andere wäre hoffnungslos), erntet man ein hochmütiges Zungeschnalzen (typisch griechisch), das soviel bedeutet wie "keine Ahnung". Leider lebt bereits fast die Hälfte aller Griechen in der Großstadt (1 Mio. in Thessaloniki, 4 Mio. in Athen). Selbstverständlich gibt es aber auch unter diesen bedauernswerten Menschen - wie überall -wohltuende Ausnahmen.