Erstes Mal

Okay, nach Nissa schreibe dann ich über mein erstes Mal Griechenland. Wahrscheinlich interessiert es gar keinen, aber nach all den Jahren hier im Forum mit so vielen Gutreisenden sehe ich mich genötigt, einige Sachen klar zu stellen.

1. Ich war wie ihr auch mal jung.
2. 1994 war ich kein Kind mehr.
3. Und es war Sommer.
4. Wir wollten keine Kultur, wir wollten Leute kennen lernen und feiern, denn H., M. und ich hatten die Schullaufbahn beendet.
5. Mit dem Interrail-Ticket, Rucksack, Zelt und Isomatte ging es Richtung Italien. Dort betrieben wir südlich von Salerno Aufklärung, indem wir einheimische Pizzabäcker zur Weißglut brachten, als sie von uns erfuhren, dass ihre Landsmänner in Deutschland Ananas-Stückchen auf die Pizza legen und der Käse gelb und nicht weiß ist. Wir sahen in entsetzte Gesichter und entschieden, fortan nicht noch zu erzählen, dass es in Deutschland auch Pizza Bolognese, Pizza Chop Suey oder Pizza Gyros gibt.
6. Apropos: Eines Tages strandeten wir mit einem Bummelzug in Brindisi, aber Brindisi war nicht der Burner. Schon gar nicht nach den Tagen am Strand mit der Freiluftpizzeria und den Fußball-Spielen mit der einheimischen Dorfjugend. Wir nahmen daher die nächste Fähre nach Korfu. Warum, wissen wir nicht mehr. So richtig Gedanken macht man sich erst später im Leben. Ob das besser ist, sei mal dahingestellt.
7. Am Hafen stand ein Grieche mit einem Bulli und warb für einen Campingplatz in Karousades. Da seien viele jungen Leute und Party gebe es immer.
8. Wir wollten Party.
9. Der Grieche hieß Alkis, was wir lustig fanden und sah aus wie Slash von Guns ’n’ Roses. Aus dem Handschuhfach holte er eine Flasche Jim Beam hervor, nahm einen Schluck und ließ sie kreisen. Das fanden wir nicht so lustig, denn die Serpentinen hatten es in sich, die Bullitür ließ sich nicht schließen und M., der zur offenen Seite saß, musste sich in jeder Kurve mit seinem Gewicht dagegen stemmen und die Rucksäcke festhalten.
10. Alkis hatte nicht zu viel versprochen.
11. Für eine denkwürdige Party brauchte es nicht viel: In eine alte Badewanne abseits der Open-air-Tanzfläche wurde literweise Ouzo gefüllt, dazu Eiswürfel - und jeder Gast bekam einen Becher in die Hand gedrückt, der fortan immer wieder durch die Badewanne gezogen wurde.
12. Es war damals mehr als eine „laue Sommernacht“. Es war auch eine laute, bis H. auf der Tanzfläche einen langhaarigen Dänen huckepack nahm und bei „Smells like teen spirit“ von Nirvana mit ihm in die Anlage samt Boxenturm stürzte.
13. Wir haben H. am nächsten Mittag jammernd unter einem Olivenbaum gefunden. Er hat bis heute keinen Ouzo mehr getrunken.
14. Wenn wir uns heute ein- oder zweimal im Jahr treffen, streiten wir darüber, was noch alles passiert ist und wie es wirklich war.
15. Mit meiner späteren Frau bin ich 2003 noch einmal nach Korfu gefahren. Karousades haben wir links liegen gelassen. Es gibt nämlich schönere Orte auf der Insel. 1994 hätte ich widersprochen.
16. Ich mache heute ganz anders Urlaub.

Janis