Von
Richi
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Zitat Katharina an O Amorgios: „Erlebe Donoussa für dich. Egal was vorher war, und danach sein wird.“
Katharina, das sehe ich etwas anders (obwohl wir ja sonst oft einer Meinung sind).
Mir ist es nicht egal, was vorher war und was nach meinem Besuch sein wird.
Mein erstes Kykladenerlebnis: Taverne auf Paros, 1981, Naoussa, komplett kykladen-begeistert vom klaren Licht, den weißen Häusern, dem blauen Himmel und der Ägäis. Am Nebentisch ein älteres Paar, so Ende 50, braungebrannt. Sonst noch nicht viel los.
Bedient wurden wir nicht. Lediglich das Paar neben uns hatte die gesamte Aufmerksamkeit der Wirtsfamilie auf sich gezogen. „Hallo, wie geht´s? Endlich mal wieder hier! Wie schön! Wie war euer Winter? So kalt? Bei uns gibt’s viel Neues, die Tochter hat ein Baby bekommen, der Bruder hat geheiratet...“ Der kleine Sohn des Wirtes verschwand in der Küche, brachte ein riesiges Fotoalbum heraus, es wurde intensiv geblättert und erklärt. Man tauschte Erinnerungen aus, war ganz in der gemeinsamen Vergangenheit versunken. Ja, dachte ich damals, das wär´s! Nur so geht’s. Dann macht das Reisen Spass. Interesse an den Leuten zeigen, und immer wieder zurückkehren.
Szenenwechsel, 26 Jahre später. Wir saßen mit Ossi und Anne mal wieder bei Nikita in der Taverne auf Donoussa und schauten zu, wie die Scopelitis Express im Abendlicht ablegte und der Kai sich leehrte. Loni Skopelitis, die ihre Pensionsgäste an der Fähre verabschiedet hatte, setzte sich zu uns und meinte erleichtert: „So, nun sind alle Touristen von der Insel abgereist, jetzt haben wir die Insel wieder für uns.“ Wir schauten uns fragend an und meinten: „Moment, Loni, wir sind doch noch hier!“ Sie stutze keinen Moment und sagte nur lakonisch: „Ach ihr, ihr seid doch keine Touristen, ihr gehört doch zu uns.“ Eine kleine Schamesröte kam über unsere Wangen, aber stolz waren wir schon.
Ich behaupte einmal, es gibt einen Unterschied zwischen Reisenden, die möglichst viele Inseln besuchen, und Urlauber, die immer wieder an den gleichen Ort kommen, dadurch zwangsläufig Kontakt zu den Einheimischen finden und von denen auch nicht als die üblichen Touristen gesehen werden, welche doch nur 3 bis 4 Tage bleiben. Denn wenn diese nach ein paar Tagen abreisen, erinnert sich hier niemand mehr an sie. Sie stellen für die Insulaner lediglich eine Einnahmequelle dar. Auch wird sich keiner mehr an sie erinnern, wenn sie die Insel wiederholt besuchen. Den meisten ist es auch gleichgültig, wie die Insel z.B. früher aussah oder in Zukunft aussehen wird. Das hat nichts mit dem generellen Interesse an Griechenland, desser Sprache und Kultur zu tun, denn das ist oft bei vielen Touristen größer als bei den meisten Wiederholungstätern.
Roger Willemsen hat in einem Interview im WDR jüngst gesagt:
„EinTourist sucht die Gegenwart, will konsumieren, was er vorfindet, will abgreifen. Ein Reisender interessiert sich für das, was immer ist, wie die Lebensumstände der Menschen dort sind. Ich bin eher ein Reisender.“
Wer sich auf einer kleinen Insel auskennt, von den Einheimischen begrüßt wird, so dass sich die anderen Touristen schon wundern, der wird von denen leicht als Platzhirsch wahrgennommen. Aber er zeigt ein anderes Interesse an den Veränderungen und Schicksalen der dort Lebenden als ein Vorbeikommender. Daher wundert es nicht, dass für den Einen die Schließung der Haupt-Verpflegungs-Taverne, die schon im Juni locker mal 500 Essen herausgibt, auf so einer kleinen Insel eine andere Bedeutung hat als für den Anderen. Das hat mit Platzhirschen nichts zu tun. Die gibt es auch, aber das wiederum ist eine andere Geschichte.
Und damit eins klar ist: der Eine ist nicht besser als der Andere, nur eben anders. Denn wo kämen wir dahin, wenn alle, die einmal auf einer kleinen Insel waren, jedes Jahr wieder kämen. Das machen nur die Italiener, da muss ich MartinPUC Recht geben.
Gruß Richi
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