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Das Feldweglabyrinth von Sivas

Geschrieben am 31.10.2003 13:17:40

Von
MartinPUC
MartinPUC

1149 x gelesen
3 Antworten

Die Feldwege von Sívas

Gleich beim ersten Besuch vor vielleicht 20 Jahren war mir klar, dass mir die Platía, der Dorfplatz, von Sívas viel besser gefällt als der ziemlich verdorbene von Pitsídia.
Ein lebendiger Ort, immer was los, an- und abfahrende Vehikel, kurze Gespräche, Rufe, durchfahrende Klostertouristen (Moní Odigítrias).

Ein länglicher, nach N hin abfallender Platz. Vor und nördlich der hübschen weißen Kirche mit ihrem treppenartig gestuften Glockentürmchen große Freiflächen, über Stufen erreichbar. Spielende Kinder darauf. Randlich links die Dorfschule. Etwas südlich, jenseits einer einmündenden Dorfstraße, im Freien aufgetürmte blaue Postschließfächer. Ein paar Schritte weiter ein behaglich dunkles, mystisches Gewölbe, wie eine kleine Höhle: eine Kapelle der Panagía.

Ein paar Meter unterhalb die Schatten spendenden Baumriesen, engmaschige Plastiknetze unter ihren Kronen als Schutz vor Vogelmist, darunter die Tische zweier Kafenía und zweier Tavernen. Das hallenartige, so einfach-schlichte Kafenio, der Keramikshop, ganz rechts an der Ecke der kleine, fast nie von Kunden besuchte Krämerladen der alten, so beschaulich hantierenden Frau.
Der Engpass mit der Ausfallstraße nach S Richtung Lístaros und Kalí Liménes, zunächst aber zum großen Hotel „Shivas“ mit dem Pool auf dem Dach und sogar einem kleinen Tennisplatz, und zur weiter draußen liegenden „Villa Kunterbunt“, kein Kindergarten, sondern eine Fremdenpension.

Jenseits dieser Straßenengstelle der gut sortimentierte Minimarket, der sogar Inópnevma (Weingeist) auf Lager hat. Dieses Heilmittel empfehlen Jannis und Katina, die Wirtsleute des äußerst beliebten Kafenions nebenan, Erkälteten und Grippekranken zum Einreiben und Schwitzen. Gesündere Zeitgenossen lungern auf den alten Stühlen an den Tischen herum, auch Matthias, der nette Deutsche aus dem Siegener Land, bereits ortsansässig, später am Abend wird drinnen an einem mit grünem Samt überzogenen Tisch trotz laufenden Fernsehers höchst konzentriert Karten gespielt, mehr Intimität bieten die Tische drüben unter den Bäumen hinter den parkenden Autos, eine dicke gelbe Linie am Boden grenzt die Hoheitsgebiete der Kafenion-Konkurrenten voneinander ab. Wie oft sollte ich Jannis’ Begrüßungsformel „Jássu Kapetánios!“ (also bei ihm kein Vokativ, der Einfachheit Fremden gegenüber halber) zu hören bekommen.

Neben Jannis’ Kafenio das altberühmte, recht preiswerte Restaurant „Váfis“, daneben gleich die neuere Konkurrenz, geführt von einem recht gut Deutsch sprechenden älteren Herrn. Beide Gaststätten abends sehr geschäftig, oft Hochbetrieb, nicht so urtümlich wie die Kneipen in entlegeneren Dörfern oder auf den kleineren Inseln, aber gute Küche, die zu erstaunlich niedrigen Preisen angeboten wird. Festessen für Vegetarier durchaus möglich.

Weiter hangabwärts, jenseits der Ausfallstraße nach O, Richtung Kousés bzw. vorher links 1 km runter zur großen Kurve der Hauptstraße von Mátala nach Míres, rechterhand die kleine, urige Käserei, wo man auch schon mal eine aufgehängte Schweinehälfte feilbietet, dann noch eine gute Taverne, vorher das alte Kafenio, zu dem ich früher so gerne von Pitsidia aus hingepilgert bin, das jetzt aber, nachdem sich der greise Kafetzís (wie hieß er doch gleich wieder?) zurückgezogen hat und sein Sohn den Laden übernommen hat, kein großes Flair mehr hat und entsprechend wenig Zuspruch. Nur wenige Meter weiter das neuere Café Europa, hier hat eine Deutsche eingeheiratet, Baby im Arm, relativ teuer, aber immerhin Internetanschluss. Rechts neben dem nach N aus dem Ort führenden Sträßchen der Krämerladen der netten alten Ioánna, wo ich zweimal Landwein (Chíma), abgepackt in Mineralwasser-Plastikflaschen, abhole, nebenan der Souvenirladen der tüchtigen Schweizerin Isabelle, deren Vater, ein alter Pitsidianer, täglich noch Kosta’s verwaistes Kafenio in Pitsidia aufsperrt: Postablagestelle. Unweit, an der Westseite noch ein altes, größeres Pandopolío.

Platz von Akteuren und Zusehern, Theaterraum, wie jede gestandene griechische Platía.

Das ist der eigentliche Ortskern, doch für einen Nestflüchter wie mich zählen auch die äußeren Ringe, ist auch die Umgebung wichtig.

Zwischen dem „Shivas“ und der „Villa K.“ zweigt ein gut erkennbarer Feldweg nach rechts, also W ab, zunächst leicht bergan führend, bald wieder eben. Vorbei an der nach ein paar Schritten schon auftauchenden Abzweigung (die führt hinauf zum gelben Häuschen der Belgier und dem netten kleinen eingezäunten Grundstück mit einem einzigen alten Olivenbaum in der Mitte, Sitzgelegenheiten in seinem Schatten). Zunächst also immer geradeaus. Entspanntes Gehen inmitten großer, alter Ölbäume, die auf gepflegten braunen Erdflächen stehen. Ich hätte gute Lust, barfuß da quer durchzulaufen, aber man weiß leider nie, wo genau sich der Skorpion nun versteckt hat, und anderes Getier. Tief unten links nahe der Teerstraße steht ein einsamer graubrauner Hengst, den ich schon bei Mondlicht begutachtet habe.
Aber wir gehen, grob gesagt, geradeaus weiter, biegen also hinter dem ersten nun auftauchenden Abzweig, dieser dreht hügelan zur Westseite des Dorfes, an der zweiten Abzweigung bei der Linkskurve rechts ab, halten uns dann wieder möglichst geradeaus. Linkerhand taucht bald ein richtiger, nicht einmal eingezäunter Gemüsegarten auf, frei herumliegende große rote Tomaten, etwas weiter rechterhand die Reste eines Kürbisfeldes mit einigen ziemlich winzigen grünlichen Restfrüchten an langen grünen Stängeln. Im Hintergrund, auf strohigem Untergrund, herbstlich verstrohten Gräsern, dunkel bis hellgrau glänzende Kühe. Überhaupt auffallend, wie die Kuhhaltung zugenommen hat. Immer wieder stehen sie da, die herrlich geformten, schimmernden Kolosse, zwischen dem Silbergrün der Oliven, schwierige Herausforderung für jeden Zeichner.

Immer wieder gibt es auch Wegalternativen, aber wir halten Kurs möglichst nach West und gelangen so an die linke Flanke eines ausgetrockneten Bachbettes. Hübsche Abwechslung inmitten all der Oliven. Hundegebell. Kurz darauf überquert der Weg das Bachbett, führt nun in etwas Abstand an dessen rechter Seite entlang. Hier nun eine überraschende Fülle und Vielfalt der Vegetation. Agaven, Sträucher, unterschiedliches Grün, und Unmengen an Salbeibüschen, stark duftend, den Empfänglichen die Sinne verwirrend. Pflücken ist angesagt. Ein Schäfer, der irgendwo Wasser abzapft, erklärt, das Trockenflussbett führe hinunter bis in die Gegend von Mátala. Die Herde rechts oben, auf einem Hügel zwischen Oliven.

Unser Weg trifft im rechten Winkel einen anderen, der wohl von Pitsidia herkommt. Wir gehen diesen nach Süd weiter, bald hügelab, besagtes Flußbett mit 4 – 5 m hohem Bambus querend, rechts ein kleiner eingezäunter Garten mit Bananenstrauch und Häuschen, dann gleich steil rechts hügelan, denn geradeaus geht es sicherlich weiter nach Lístaros.

Oben angelangt eine Verschnaufpause auf den Felsbrocken. Vor uns eine kleine ebene Fläche mit Oliven, an deren linkem Rand eine Art Fußpfad, ringsum Hügel, südlich und westlich höhere Berge bzw. Hügel. In einiger Enfernung vor uns eine imposante Felskuppe mit einem Baumkranz, der sie wie ein Reif schmückt. Ob das wohl schon die Gegend bei Kap Líthino ist? Denn bald sehe ich einen verdächtigen hohen Gipfel mit links noch aufgepfropftem Nebensporn aus der Ferne hervorlugen. Ob wir zufällig der entlegenen, so schönen Vathí-Bucht nahe gekommen sind? Kleines Rätsel.

Der Pfad verliert sich bald, ein steiler Abhang tut sich auf, der aber nach kurzer Suche gut begehbar ist, halbrechts hinunter. Unten kommt der Trockenfluss nun aus Richtung Nord. Wir überqueren ihn, aus einiger Entfernung von einem kleineren schwarzen Schäferhund beäugt, der näher herantrippelt, es sich aber dann doch überlegt und uns verschont.
Wir klettern eine Böschung hoch zu einer sehr schlechten, von vergangenen Regen fast weggespülten und nicht mehr befahrbaren Piste. Die imposante Kuppe haben wir an ihrem Südrand fast schon erklommen, sie hatte viel höher gewirkt als sie eigentlich ist.

Noch vielleicht 200 m, dann endet die Piste an einer Weggabelung, die uns die Augen öffnet. Nein, wir haben uns nicht zu sehr nach Süden verirrt, vor und unter uns im Tal die ersten Häuser des „Valleys“ von Mátala, rechts die breite Teerstraße, draußen im Meer der große Gipfel mit dem wie ein aufgepropfter Stalagmit wirkenden Nebensporn: die größere der beiden Erhebungen der Paximádia-Inseln, nicht etwa Kap Líthino! Wann endlich merke ich mir sein charakteristisches Erscheinungsbild, das so gut zur Orientierung dienen kann!?

Da wir noch voller Energien sind, steigen wir nicht bei der ersten Gelegenheit nach Matala hinunter. Nein, wir gehen geradeaus den Feldweg weiter, am Sender vorbei, die Ostflanke eines weiteren, nach Süd verlaufenden Tals entlang. Hinten an der Talengstelle ein etwas mühsamer Abstieg durch eine verbrannte ebene Feldfläche, unten aus dem Kerbtälchen wieder hoch auf den schon vorher gesichteten Pfad, quer durch längst abgeblühten Stachelginster und ähnlich spürbares Gepflänz, etwa 300 m unter uns ein seltsames Gehöft, aus allem Möglichen zusammengeflickt.

Der Pfad endet bei einer Viehtränke und einer weißen Kapelle, die wir besuchen. Kleine Pause auf der Steinbank an der Kapellenstirnseite. Von hier aus windet sich ein ziemlich schlechter Fahrweg hinauf auf eine Bergeshöhe, wohl die einzige, mühsame Straßenzufahrt zu dem Tal hinter dem „Red Beach“ südlich von Matala.
Wir nehmen lieber die hangparallele Staubstraße Richtung Matala, die sich vor dem Ort noch mehrmals verzweigt. Unser Gespür führt uns auf die richtige Strecke, und wir landen nach Durchquerung einer größeren staubigen Parkfläche gegenüber mehreren kleinen Hotels schließlich vorne an der Hauptstraße mit den vielen Parkbuchten ganz nahe dem Strand und „eigentlichen“ Ortseingang.

Es zieht uns hinauf zur allerletzten und am höchsten gelegenen Taverne „Sunset“ (= Iliovasílema), geführt von dem lieben älteren Paar. Liegt am äußeren Ende der linken, südlichen der beiden Klippen des Ortes. Zwei Terrassen bieten sich uns an. Die erste bietet tolle Ausblicke zurück zum Ort, zum Strand, auf die rechte Klippe mit den Höhlen. Da hab ich neulich schon alleine bei einem Mythos geträumt und betrachtet. Nun geht es auf die andere, hinter dem Lokal gelegene echte Aussichtsterrasse.
Wow! Man fühlt sich dort wie auf der Brücke eines Ozeanriesen. Das freie Meer vor sich, die beiden Zwieback-Inseln, Agía Galíni schräg gegenüber gut auszumachen. Die Landzunge von Agios Pávlos, sogar einige weiße Häuser darauf. Dahinter die höheren Berge. Im Frühjahr würden hier oben die Schneegipfel der Weißen Berge aus West herüberleuchten, nun aber ist draußen doch zu viel Dunst.
Matala-Gäste: der ideale Ort, die Dämmerung in die Nacht hineingleiten zu erleben! Sonnenuntergang! Ein wunderbarer Platz, nur etwa 4 Tische.
Gleich unterhalb, nur ein paar Meter, das Häuschen eines berühmten Ex-Kneipenwirtes, der hier immer noch an seinem ehemaligen Tatort haust, von schönen Frauen abwechselnd umgeben.

MartinPUC, Ende Okt. 2003

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Thema Autor Datum
Das Feldweglabyrinth von Sivas MartinPUC 31.10.2003 13:17
Re: Das Feldweglabyrinth von Sivas Strandfee 31.10.2003 13:38
Re: Das Feldweglabyrinth von Sivas MartinPUC 31.10.2003 13:51
Re: Das Feldweglabyrinth - Taverne Sunset Herbert 31.10.2003 16:52

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