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Die Mysterienschule des Pythagoras

Von Sahar F. Kratz

Zufälle gibt es im Leben nicht, eher Dinge, die einem zufallen, wenn man offen und interessiert ist. So war es wohl auch mit meiner ersten Reise auf die Ägäis-Insel Samos im Frühling des Jahres 2003. Ich hatte zuvor bereits von 1994 bis 1997 drei Jahre durchgehend in Griechenland gelebt und immer wieder zog mich eine unbewusste Kraft zurück in dieses Land mit dem blauen Meer und dem unsagbaren Licht. Schon im “zarten Knabenalter“ von vielleicht vier Jahren, seltsamerweise erinnere ich mich hieran noch genau, kriegte ich im Kindergarten “ganz spitze Öhrchen“, als ich eine meiner Erzieherinnen einen Satz sagen hörte, der da lautete:

“Ich weiß, dass ich nichts weiß!“ Natürlich hatte ich damals nicht die geringste Ahnung, dass dies einer der Kernsätze des Sokrates war, der mich, wie soviele andere Weisheiten der altgriechischen Philosophen, allen voran Epikur, Heraklit, Sokrates und eben Pythagoras mein ganzes weiteres Leben begleiten sollten.

Über Pythagoras hatte ich ein paar Jahre vor meiner Reise ein faszinierendes Buch gelesen. Bis dahin hatte ich den alten Griechen vornehmlich mit unsäglichem Schulwissen

und seinen mathematischen Formeln in Verbindung gebracht. Jetzt aber las ich die erstaunliche Geschichte einer Mysterienschule, eines großen Abenteuers und Abenteurers ohnegleichen, eines erlebten und erfahrenen Wissens bis hin zu kosmischen Weisheiten und dem Hinstreben eines menschlichen Wesens zur Göttlichkeit und vielleicht sogar der Vereinigung mit dieser.

Zurück zum “Zufall“, der mir zufiel, als ich auf Samos landete. Die nette Reiseleiterin am Flughafen machte ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter, als sie mir erklärte, dass das schöne neue Hotel in Vathi, welches ich gebucht hatte, leider nicht fertiggestellt werden konnte. Sie könne mir aber einen wunderschönen Platz im Hafen von Pythagorion anbieten, wo doch dieser berühmte Mathematiker und Philosoph Pythagoras etliche Jahre seines Lebens verbracht habe.

Nun war ich also da, wo ich vermutlich schon immer hinwollte, und sollte hier ungefragt und peu à peu gar manches über die Geschichte seiner Mysterienschule erfahren. Genug der Vorgeschichte! Gehen wir gemeinsam zurück ins 6. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung. Die für die Antike ungeheure Zahl von 80.000 Einwohnern zählte damals die reiche Stadt Samos, das heutige Pythagorion, beherrscht von dem Tyrannen Polikrates, geschützt und umrahmt von der soeben fertiggestellten südlichen Hafenmole, die Dreideckern und Trieren, den damaligen Schiffen, sicheren Schutz vor den heftigen Südwinden und noch heftigeren Angriffen der Piraten und anderer Feinde bot. Efpalinos aus Megara bei Athen hatte gerade ein “Weltwunder“ erschaffen, einen 1.046 Meter langen Gebirgstunnel, der die wasserreiche nördliche Inselregion mit der Hauptstadt verband und nun auch dort für ausreichende Versorgung mit dem Lebenselexir sorgte.

Um das Jahr 580 v.Chr. lebte in Samos der angesehene und reiche Kaufmann Mnisarchos, dessen Gewerbe es war, innerhalb der ganzen damals bekannten Welt mit Schmuck, Seifen und allerlei “Kosmetika“ zu handeln. Verheiratet war er mit der Parthenia, deren Name soviel wie “Jungfräulichkeit“ bedeutet. Als Mnisarchos wieder einmal zu einer großen Handelsreise in die “alten Länder“ Persien und Ägypten aufbrechen wollte, besuchte er, wie damals üblich, zuvor das Orakel der Pythia, um sich weissagen zu lassen, ob die Reise “hoffnungsvoll oder hoffnungslos“ enden sollte. “Während dieser Reise“, so die vornehmliche Aussage des Orakels, “soll dir ein Sohn geboren werden, der aus einer Mischung von uraltem Wissen und neuer Jungfräulichkeit der gesamten Menschheit eine große Hilfe für ihr spirituelles Wachstum sein soll.“ Vielleicht lässt sich aus diesem Orakelspruch die Legende begründen, die bald in der griechischen Welt die Runde machen sollte, Pythagoras sei “eigentlich“ ein Sohn des Gottes Apollon und der Pythia. Jedenfalls wurde das Kind um das Jahr der 50. Olympiade geboren, manche legen sich auf 572 fest, andere halten 576 für eher wahrscheinlich. An dem Knaben fielen sehr früh seine Freundlichkeit, seine Bescheidenheit und sein enormes Verlangen nach Wissen auf. So verwundert es nicht, dass sich schon bald die größten Lehrer ihrer Zeit, als da wären Anaximandros und Pherikles, die beide auf Samos lebten, aber auch Ermodamontas Anaridas oder Zarato, der Magier, auf ihn aufmerksam wurden und sich um ihn bemühten.

Umso mehr Pythagoras von seinen Lehrern erlernte, desto durstiger wurde er auf der Suche nach eigener Wahrheit. Er hörte den Thales und seine Wissbegierde brachte ihn nach Sidona, wo er selbst erste öffentliche Vorträge hielt. Mit der Zeit wurde er mit den Mysterien des Baal und des Istar vertraut, von den Oberpriestern Sonchida und Inufea Heliopolis wurde er ins ägytische Geheimwissen der Isis und Osiris eingeweiht. Im Land der Chaldäen schließlich wurde er von Kamvisis gefangengenommen, nach Babylon verschleppt und auf dem Sklavenmarkt zum Verkauf angeboten. Er wurde freigekauft und von den Magiern weitere 12 Jahre ausgebildet. So vervollständigte er sein fundiertes Wissen um die babylonischen Epen Enuma ellis, Gilgames, den Tierkreis und das astrologische Orakel der Hohepriester. Hier soll er auch zum Medium der Propheten Jezekiel und Daniel geworden sein und deren Erfahrungen zu eigener Weisheit genutzt haben. Im geschätzten Alter von 55 bis 60 Jahren schließlich kehrte Pythagoras nach Samos zurück.

Auch wir kommen kurz zurück in die Jetztzeit. Im Hafen von Ireon sitze ich mit Theoktistos Kritikos beim Frappé. Theoktistos ist Vizepräsident der 2005 ins Leben gerufenen Pythagoras-Akademie und besonders stolz auf seinen “göttlichen“ Vornamen, den es in ganz Griechenland nur dreimal geben soll. Seine Schilderungen über Pythagoras´ Leben sind so lebendig, als sei er selbst dabeigewesen und so lausche ich aufgeregt seinen Ausführungen: Pythagoras wurde nach seiner Rückkehr auf Samos vom Herrscher Polikrates zunächst freudig aufgenommem, weil dieser glaubte, sich im Ruhm des großen Philosophen “mitsonnen“ zu können. Nachdem der Tyrann die Mileter und Mytilenen besiegt, eine starke Armee und eine riesige Flotte aufgebaut, sich mit anderen Despoten verbündet und verbrüdert hatte, stand er im Zenit seiner Macht.

Aber wie so oft konnten Weisheit und Machtbegierde nicht miteinander harmonisieren. Die von Pythagoras ausgehende Authentizität und die lebendige Weisheit, mit der er die aus eigener Erfahrung gewonnenen kühnen Theorien vortrug, waren dem König unerträglich. Und als Pythagoras proklamierte, dass die alten griechischen Götter von A-Z, also von Athene, Ares oder Aphrodite bis Zeus schierer Aberglaube seien, war der Konflikt vorprogrammiert. “Es existiere nur ein einziger Gott“, das war für die griechische Antike einfach zuviel, “ja es existiere nicht einmal ein Gott als Person, sondern nur eine Göttlichkeit als Energie“, diese These stellt selbst in unserer heutigen “aufgeklärten“ Zeit für die meisten noch etwas Ketzerisches dar. Dass Pythagoras dann auch noch auf Samos eine Schule für diese neuen Erfahrungen und spirituellen Lehren gründen wollte, brachte das Fass schließlich zum Überlaufen. Vor dem Tempel des Apollon wurde Gericht gehalten und seine früheren Lehrer, allen voran Anaximandros, beschuldigten ihn schwer: “Du bist gegen unsere Götter, gegen unsere Wurzeln, gegen unseren Staat und Status und du willst auch unsere Jugend ins Verderben ziehen!“ Worte und Anklagen, die in gleicher oder ähnlicher Form noch vielen großen Meistern, Mystikern, Philosophen und Propheten der Menschheit vorgehalten werden sollten.

Pythagoras wurde letztendlich zum “Feind des Staates“ erklärt und zur Verfolgung freigegeben. Er versteckte sich auf der Insel und schließlich soll ihm mit etlichen Schülern vom Hafen Marathokampos aus die Flucht gelungen sein, zunächst auf die heilige Insel Delos, dann nach Kreta und am Ende nach Italien. Nach einer Zwischenstation in Xylon konnte er in Kroton seine berühmte Mysterienschule Omakoio errichten. Längst nicht jeder wurde hier aufgenommen, es soll fünf Stufen der Einweihung nach strengsten Kriterien gegeben haben. Hier konnte Pythagoras nun endlich die erfahrenen Weisheiten an solche Schüler weitergeben, die darauf ebenso durstig warteten wie einst er selbst.

- Die Sprache der Stille ist die wichtigste der Sprachen überhaupt
- Du musst zunächst viel Zeit haben, um zu fühlen und zu empfangen
- Erst nachdem “alldies“ passiert ist, darfst du sprechen
- Und erst hiernach hast du das Recht, dem Lehrer nahe zu sein, von Herz zu Herz und von Seele zu Seele zu lauschen und hier zu leben

Sicherlich haben die Thesen des Pythagoras und seine Lehren von der Heiligkeit und der kosmischen Bedeutsamkeit der Zahlen auch grundsätzliche Probleme der Mathematiker gelöst. Für ihn selbst waren die mathematischen Aspekte lediglich Ausdruck und Beweis der Richtigkeit seiner Gesamterfahrung. Resumierend für unsere heutige Zeit erklärt Theoktistos Kritikos, bei dem ich mich ganz herzlich für die Weitergabe seines “Insider- Wissens“ bedanke, dass es auch kein Zufall ist, dass die Pythagoras-Akademie ausgerechnet 2005 mit exakt 25 Mitgliedern gegründet wurde, war doch neben der 4 die 25 eine der ganz besonderen Zahlen für Pythagoras. Über die Magie der 25 will er mir aber nichts Näheres verraten. Viele Meister der Menschheitsgeschichte wie Buddha oder Lao Tzu haben indes bedeutet, dass die Menschheit alle 2.500 Jahre für einen “Bewusstseins-Sprung“ besonders empfänglich sei, und immer dann große Geister geboren werden. Hoffen wir´s, unsere Erde und wir könnten es derzeit gut gebrauchen.

Vielleicht trägt ja auch die Pythagoras-Akademie, die übrigens vom griechischen Staat voll anerkannt wird, ein wenig hierzu bei. Deren Ziele erläutert uns Theoktistos zum Abschluss in etwa so:

- Samos will ein weltweites Zentrum für alle Menschen sein und werden, die sich für Ideen und Mythen des Pythagoras interessieren
- Hier sollen alle Bücher aufgelistet und gesammelt werden, die sich mit dem großen Philosophen beschäftigen und beschäftigt haben
- In Zusammenarbeit mit der mathematischen Fakultät der Universität Karlovassi soll eine internationale Wissens- und Mystikschule entstehen
- und schließlich soll künftig alle zwei Jahre ein weltweit ausgeschriebenes Symposium Wissenschaftler, Gelehrte und Philosophen zum Erfahrungsaustausch über Pythagoras nach Samos einladen

“Αυτός Έψα“ - “Er hat gesagt“, meinten seine Schüler voller Ehrfurcht, wenn sie Pytagoras´ Thesen weitergaben. Vielleicht kommen wir ja mit der Pythagoras-Akademie weiteren Geheimnissen des großen Philosophen und Mystikers auf die Spur ? Wer weiß ?

Geschrieben 21.02.2013, Geändert 13.03.2013, 6622 x gelesen.

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Kommentare zu diesem Artikel

Kommentar von kokkinos vrachos vom 24.03.2013 12:49:36

jassou Sahar, ja Samos bzw. Pythagorio scheint ja wirklich dein Lieblingsort zu sein.

Bei mir gehts Sonntag nach Milos.

Mit Pauli wolltest mich aber ärgern, habe doch die Raute im Herzen.

Schöne Grüße nach Freiburg und nach Flensburg, Clemens


Kommentar von Sahar F. Kratz vom 23.03.2013 19:38:34

Hallo Clemens, schön, dass Du noch lebst. Was macht der FC St. Pauli. Mai/Juni bin ich wieder auf Samos.Grüße auch von Elvi.


Kommentar von kokkinos vrachos vom 20.03.2013 15:12:24

kalimera Sahar, schön mal was von dir hier in diesem Forum zu lesen.

Hoffe es geht dir gut. Warst du mal wieder auf Ikaria?

schöne Grüße aus Hamburg nach Freiburg, Clemens


Kommentar von kokkinos vrachos vom 20.03.2013 15:12:21

kalimera Sahar, schön mal was von dir hier in diesem Forum zu lesen.

Hoffe es geht dir gut. Warst du mal wieder auf Ikaria?

schöne Grüße aus Hamburg nach Freiburg, Clemens