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Paros im August

Von Xristo

Es ist ein Geschenk so ganz unvermittelt innerhalb von wenigen Tagen eine Reise nach Paros, sozusagen geschäftlich, zu unternehmen. Ein Haus anschauen, so konkret ist unser Traum also geworden. Es ist ein einziger Stress im August nach Athen zu reisen. Alles ist voll, überall sind Schlangen.

Der Flughafen Hannover ist ja etwas Beschauliches im Gegensatz zu Frankfurt oder Athen - in Athen angekommen das alte Bild bei 33° Grad im Schatten, Autos, Autos. Der Taxifahrer fährt die bekannte Athen-Ralley nach Piraeus. Ich komme mir vor wie in einem Kochtopf mit sprudelndem Wasser Und ich bin das Ei! Wenn ich diesem Getriebe nicht immer wieder einen Reiz abgewinnen würde, würde ich verrückt. Ein wenig bin ich es aber doch geworden. Der Flieger hatte 1 Stunde Verspätung, das Barka ging um 4°°, ich habe jetzt um 5°° noch nichts gegessen ausser dem sogenannten Frühstück im Flieger (kalte Brötchen usw). Neben mir sitzt ein Amerikaner aus Kalifornien auf dem Weg zur Kreuzfahrt. Er kam direkt aus Miami und hatte schon dreimal gefrühstückt.

Am Hafen habe ich endlich einen Ticketladen gefunden. Das Nesteln an der Gürteltasche, um das Geld für das Ticket herauszufädeln, hält doch sehr auf. Schnell die Sachen gegriffen und zum Taxi, das mich zum Schiff an der anderen Seite des Hafens bringen soll. Beim Bezahlen dann das böse Erwachen: meine Bauchtasche mit dem Geld, dem Flugschein, Führerschein und sonstigen Papieren ist weg! Hastiges Suchen, der Schweiß rinnt mir in Strömen von der Stirn, wie immer wenn ich eine Katastrophe erlebe. Es gibt einfach zu viele Taschen, in denen ich etwas verstaut haben könnte. Alles durchsuche ich immer wieder, durchforste mein Gehirn nach einer Spur von Erinnerung, wo ich es verloren haben könnte. Das Teil ist weg. Der Taxifahrer bringt mich zurück zu der Stelle, wo ich es zuletzt in der Hand gehalten hatte, vor dem Kiosk. Merkwürdig erscheint mir, daß der Kioskbesitzer, der mir zuletzt noch das Kaugummi verkauft hatte, nicht mehr da ist. Mein guter Geist rät mir, doch zur Polizei auf der Rückseite des Gebäudekomplexes zu gehen, hilft mir, mein Problem an den Mann zu bringen, ein griechisches Formular auszufüllen und fährt mich dann zum Schiff "Express Marina". Kaum 5 Minuten später werden die Leinen gelöst, die Klappe schliesst sich, Das Debakel entfernt sich, Paros naht.

Ich entspanne mich langsam. Sitze die ganze Zeit oben an Deck und lasse die attische Küste an mir vorbeiziehen. Die Sonne scheint mittäglich schon jetzt um 11°°, über dem Land liegt ein fahler Dunste. da ganz am Ende liegt Sunion, seit 3000 Jahren. Die ganze Küste ist inzwischen bebaut. Helle Streifen mäandern die Hänge hinauf, es ist nur noch eine Frage der Zeit, wann an diesen embryonalen Strassen auch noch Häuser gebaut werden. All diese Hügel waren einmal in der Antike bewaldet! Diese kleinen weissen Säulchen da hinten stehen da schon so lange, das Wasser ist schon immer so blau und ich frage mich, was ich hier so mache. Für 4-5 Tage absolut unwirklich. gestern noch im Büro und jetzt hier, das muß ich erst einmal verdauen!

Seit langem habe ich das nicht mehr erlebt, diese Fahrt mit dem Schiff, wie zwischen den Welten, zwischen den Zeiten. Wann war das letzte Mal. daß wir zusammen mit dem Schiff fuhren? Letztlich im Mai zählt nicht. Es war Nacht , ich habe geschlafen und war plötzlich da. Jetzt ist alles sehr intensiv, dieses Loslösen vom Streß in Athen, das langsame 5-stündige Hinwandern zur Enklave Paros.

Ich lese einen Roman von Kundera: - Die Langsamkeit - Da gibt es für mich einiges zu lernen. Noch bin ich damit nicht soweit wie mein Nachbar an Deck 5 Stühle weiter. Seit Piräus sitzt er auf seinem Stuhl und rührt sich nicht, liest nicht, isst nicht. Das muss man erst mal können. Langsam wird es dunkel, das Deck wird feucht, immer noch laufen viele Leute mit kurzen Schlafanzughosen und Schlappen herum, um den Bauch eine Bauchtasche geschlungen. Meine habe ich "mit Glück" verloren, zum Glück ohne Geld, ohne Kreditkarten, leider mit Flugticket und altem Führerschein- sozusagen ALS PRÜFUNG GEGEN DIE HEKTIK
Ankunft abends um 22°°.

Mein Freund Angelos ist nicht am Schiff. So gehe ich dann den gewohnten Weg die Paralia entlang, nur mit meinem kleinen Täschchen mit den vielen noch kleineren Täschchen. So wenig Gepäck hatte ich noch nie mit. Allerdings wog der Gedanke an das Verlorene schwer. In einem der ersten Restaurants hatte ich meine Freunde dann im Blick. Ich hatte erst einmal nur Durst , dann Hunger und dann Zeit für die Umarmungen.

August, niemals sollte man im August nach Paros fahren. Die Insel ist nicht wieder zu erkennen. Die Menschen branden gegen die Cafés, Alles ist voll, heiss und laut. Mein Zimmer im Xenia diesmal Nr.22 ganz vorne am Gang, nur mit kleinem Balkon, dafür aber mit Bad und viel Platz. Bei der Hitze gerade richtig. Nur kaltes Wasser einlaufen lassen. Ich fuhr hinter Angelos her in Ricjhtung Aspries. Ich erinnere mich an einen Eselsritt vor fast 30 Jahren. Es muß damals die gleiche Strecke gewesen sein, nun ist der Weg zu einer Straße ausgebaut. Ich hatte noch keine genaue Vorstellung, wo das Haus liegen könnte. Bei jeder Gabelung befürchtete ich, daß es wieder Richtung Meer gehen würde, diese Gegend sah eher feucht aus, zu sehr im Flußtal liegend. Aber nein, es ging stetig auf die Berge zu in Richtung des Klosters Christos tou Dassou. Vorher noch ein Abzweig nach links,, eine kurvige Strecke an einem Bauernhof vorbei, dem Gekläff der auf der Straße dösenden Hunde ausweichend, noch eine Kurve und wir stehen vor dem Haus. Es sieht traumhaft aus, mich verlassen sofort alle Bedenken und kritischen Gedanken. Als ob ich auch meinen Realitätssinn in der Sonnenhitze verloren hätte.

Ich gehe den Weg zum Haus, den ich mit Angelos schon gefahren war, es ist glühend heiss, die Sonne steht geradezu senkrecht auf meinem Kopf. Es geht auf der dem Meer abgewandten Seite des Asklepeion-Hügels entlang, unterhalb des Hauses von Dimitri, daß sich in den Schutz der Bergspitze schmiegt. So suche auch ich den kleinsten Schutz vor dieser gnadenlosen Sonne. Jeder Schattenplatz wird zu einer Rast genutzt. Es sind schöne Plätze darunter. Ein grosser Feigenbaum, eine überhängende Erd- und Felswand, eine verfallene Mauer. Kurz vor dem letzten Anstieg zweigt rechts ein Weg ab, der sich kurz zum Flußbett herunterneigt, dann wirder ansteigt um zu den Häusern des Hofes an der gegenüberliegenden Hangseite zu führen. Ich gehe hinab, verlasse den festen Weg nach links und steige dem Flußbett nach. Es ist Wasser in der Nähe. Lade hatte von der Quelle erzählt. Ich folge den immer feuchter werdenden Spuren, schlängele mich zwischen Oleander, Ginster, Feigenbäumen und anderem Buschwerk hindurch. Da auf einmal rechts an einem kleinen Trampelpfad sehe ich die Wasserstelle, die sich ganz dicht unter einen Felsenvorsprung duckt.

Ganz primitiv mit Steinen eingefasst zeigt sich ein kleines Wasserbecken, auf dem Blätter und Schmetterlingsleichen schwimmen. Ich muß eintauchen. Mein Körper glüht von aussen und von innen. Beim ersten Griff nach dem Wasser stiebt aus dem Pflanzenvorhang, der vor dem Felsen hängt, eine Wolke von Schmetterlingen - schwarze Flügel mit weisser Zeichnung - auf, ich hatte sie für verblühte Blüten gehalten! Das Wasser reicht nicht, um mich abzukühlen, so tauche ich auch das ganze Hemd in den Bottich, um es dann klitschnass anzuziehen. Wenn ich nicht derart erhitzt in dieser Dschungelfeuchte stände hätte, hätte ich diesen Moment geniessen können. Aber wir ein Verbrennender suche ich sofort eine noch glücklichere Abkühlungsmöglichkeit. Ich finde sie in der Dusche in "unserem" Apartment. Ich habe mich noch nie derart glühend gefühlt. Fast als sei ich von vielen Schichten Isolierung umhüllt, und nichts könnte entweichen. Mein Hemd hänge ich an die Balken an der Akropolis, es trocknet deutlich sichtbar auf der Stelle. Hier oben frei vor dem Haus ist ein schöner Platz, ich bleibe hier sitzen, der Wind fächelt nun doch etwas Kühlung zu. Es ist absolut ruhig. Da habe ich mich wirklich in das Haus verliebt.

Der schönste Moment dieser ganzen Reise kommt aus dem Moment des Schmerzes beim Aufwachen morgens um 4°°. Wie damals, als ich mit Asthma-Beklemmungen im Pandrossos nicht mehr schlafen konnte und im Ort herumgeisterte. Diesmal gehe ich den Weg in Richtung Aspries Mersini. An der seitlich am Wege liegenden Kapelle mache ich halt und besteige das Tonnendach. Dort lasse ich mich nieder. So wie der Kopfschmerz nachlässt, erwacht der Tag mit dem Konzert der Hähne. Ehe sich die Kontur der Landschaft herausschält zeichnet sich sozusagen eine akustische Landschaft ab. Die Entwicklung des Lichtes über den Bergen ist unglaublich schön.

Es bleibt nachzutragen: aus dem Hauskauf wurde nichts!


Geschrieben 05.11.2008, Geändert 19.11.2008, 4154 x gelesen.

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Kommentare zu diesem Artikel

Kommentar von O Amorgios vom 25.11.2008 15:05:06

Bei dem Reisestress hätte ich es Dir gewünscht, das es mit dem Hauskauf geklappt hätte. Schade !


Kommentar von Greecefreak vom 25.11.2008 09:38:39

Schade, hätte Dich dort gerne nächstes Jahr mal besucht.
Martin