Autogramm-Jäger

Als kleines Kind stand ich immer vor der großen Baustelle mit dem Kran, dem Betonmischer und kam nicht mehr raus aus dem Staunen, denn so etwas hatten meine jungen Augen bis dahin noch nicht gesehen. Später, als Teenager, waren es langbeinige Models wie Tatjana Patitz, Linda Evangelista und mit Abstrichen auch noch Helena Christensen. Da schaute ich dann auch zu auf, wie damals bei Günther, dem Chef von der Baustelle. Aber bei den Mädels, da blieb es immer bei den sehr einsamen Begegnungen - auf Postern, Werbeplakaten oder in Omas Freizeit-Revue.

Richtige Stars zu treffen war ohnehin nicht drin in der Provinz. Und wenn, dann waren es mal Stars, die da kamen. Solche die froh waren, unser Bürgerhaus noch mal zu füllen, bevor sich ihr endgültiges Karriere-Ende bei seelenlosen Auftritten in Möbelhäusern näherte.

Wo Du dich jetzt gerade fragst, warum ich das alles schreibe? Vielleicht ist nur so zu erklären, was es für ein Gefühl war, als ich den Star der kleinen Kykladenwelt in einem Café auf Naxos sah: Giannis Fostiéris, Kapitän der "Express Scopelitis".

Klaus Lage und Peter Maffay sind nichts gegen diesen Mann, den absoluten Meltemi-Rocker: Tausendmal auf der Kommandobrücke gesehen, tausendmal war nix passiert. Aber jetzt hatte es Zoom gemacht. Und es war Sommer. Und ich kein Kind mehr.

Deshalb sprach ich ihn einfach an. Ob er der Kapitän sei. Der von der Scopelitis… Natürlich war er das - aber was soll der nervöse Autogramm-Jäger auch fragen, wenn er seinem Idol plötzlich unverhofft gegenübersteht?

Giannis musterte Janis und sein Stirnrunzeln war schwer zu deuten. Er sagte einfach nichts, während ich stotternd in einem Gemisch aus Englisch und griechischen Wortfetzen die Scopelitis-Route von Amorgos nach Naxos aufzählte. Ein Bekannter von ihm half schließlich bei der Übersetzung, so dass sich Giannis' Miene aufhellte: Ich solle mich zu ihm setzen. Machte ich doch glatt. Sogar vom Essen, das auf dem Tisch stand, bot er etwas an, aber dafür war ich viel zu aufgeregt.

Wo Du gerade meinst, ich solle doch mal zum Ende kommen… Gut: Wir machten ein paar Erinnerungsfotos, tauschten Adressen aus, unsere Frauen sind jetzt auf Facebook befreundet, und am zweiten Advent wollen wir zusammen über den Kölner Weihnachtsmarkt bummeln.

Gut, das mit dem Erinnerungsfoto ist gelogen...