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Fähren in Griechenland - eine verkehrsgeographische Analyse

Von B. Richter

Nationale Verbindungen

Die Fähre spielt im innergriechischen Verkehr immer noch eine bedeutende Rolle. Zu den meisten Inseln fliegt nur in den wenigsten Fällen ein Flugzeug, dies liegt einerseits an der natürlich begrenzten Nachfrage aber auch an der selten vorhandenen Infrastruktur. Zudem muss auch die Versorgung per Schiff erfolgen. Im Zentrum des griechischen Fährnetzes befindet sich Piräus. Von hier aus gibt es Verbindungen fast überall hin: auf die Kykladen, nach Kreta, auf den Dodekanes oder auf die ägäischen Inseln Ikaria, Samos, Lesbos und Chios.

Die Benutzung der Fähren galt lange Zeit als Abenteuer: [Die Agenturen] „...können einem i. d. R. die richtigen Fahrplanzeiten nennen. Dies gibt allerdings noch keine Garantie dafür, dass das Schiff tatsächlich zu dieser Zeit abfährt. Aufgrund diverser Verzögerungen (viel Fracht am Kai, Kapitän besoffen in der Hafenkneipe, Opa Stavros muss noch aufs Schiff, ist aber gerade erst von zu Hause aufgebrochen...) sind Verspätungen von einigen Stunden keine Seltenheit. (...) Und da ein Schiff i. d. R. mehrere Inseln der Reihe nach anfährt, besteht die Gefahr einer weiteren Verspätung auf jeder Insel...“ (Thalmann, Eike, 09.03.1998). Diese Art von Seefahrtsromantik ist in den letzten Jahren unter dem Druck von Reedereiübernahmen und Börsenkursen stark zurückgegangen.

Allerdings ist das System weitgehend monozentristisch aufgebaut, so dass es teilweise in Ermangelung von Direktverbindungen notwendig ist zu einer anderen Insel über Piräus zu reisen. In der Nebensaison sind die Verbindungen oftmals ausgedünnt, jedoch nie komplett eingestellt: Der griechische Staat subventioniert die Fährtickets und schreibt zugleich die Preise weitgehend vor, er vergibt die Lizenzen nur gegen die Pflicht zu Aufrechterhaltung ganzjähriger Verbindungen. Dies führt zu relativ billigen Preisen für Deckpassagen, jedoch zu gewaltigen Aufschlägen für z. B. Kabinen und verlangsamt letztendlich die Erneuerung der Flotten, da die Einnahmemöglichkeiten limitiert sind.

Internationale Verbindungen

Dazu ist ein kleiner Rückblick in das 20. Jahrhundert nötig. In den Jahren von 1930 bis 1950 waren die griechischen Inseln stark besiedelt. Es gab damals kein Bedürfnis von diesen Inseln wegzukommen. Die Menschen betrieben subsistenzorientierte Landwirtschaft, vor allem Viehzucht, und sie waren weitgehend autark. Mit der Zeit wuchs die Bevölkerung stark, der Bevölkerungsdruck sorgte für das Einsetzen der Abwanderung. Als Pullfaktor wirkte die aufblühende Industrie in Mitteleuropa, welche massiv um Gastarbeiter warb. So gab es Probleme, da das unzureichende Verkehrsnetz überlastet und langsam war. Reisen nach Athen oder gar nach Mitteleuropa nahmen mehrere Tage in Anspruch, die Sicherheitsstandards waren niedrig, die Preise teilweise exorbitant. Anzumerken ist, dass im Winter oftmals, sei es aus Wettergründen oder aus Gründen der Rentabilität, keine Schiffe fuhren.

Aufgrund dieser unbefriedigenden Situation, die durch ein Schiffsunglück noch forciert wurde, entstanden zum einen die „Minoan“ und zum anderen die „Anek“, beide von Bürgern aus Kreta gegründet. Zur Finanzierung konnte sich anfangs jeder, der wollte, einen Aktienanteil sichern. Eine dritte im internationalen Geschäft tätige Gesellschaft namens „Superfast“ (= Attika Enterprises) war dagegen eine privatwirtschaftliche Gründung: Der Konzern wurde 1918 in Piräus gegründet und ist seit 1924 an der Börse in Athen notiert (http://de.wikipedia.org/wiki/Superfast_Ferries).

Zwischen Nord-/Mittelitalien und Griechenland bestand nur aus sehr dünner Fährverkehr: Es gab kaum Verbindungen, nur wenige pro Woche. So gab es z. B. bis Ende der 80er Jahre bis zu 6 Tage dauernde Verbindungen von Venedig über Piräus nach Rhodos – Häfen wie Igoumenitsa und Patras spielten eine untergeordnete Rolle.

Der Weg der „Masse“ – seien es jetzt Gastarbeiter, Durchreisende oder Urlauber – führte von München/Salzburg und dann über die berühmte „E5“, („Autoput“) nach Jugoslawien und von dort aus nach Griechenland. Dichtere Fährverbindungen von Italien nach Griechenland bestanden von den Hafenstädten in Apulien wie Bari oder Brindisi. Diese liegen allerdings sehr weit im Süden Italiens und sind deswegen nicht sehr geeignet für den mitteleuropäischen Transportverkehr. Dennoch stauten sich hier der Sommersaison viele Touristen und Heimreisende; die Stadtverwaltung von Bari organisierte sogar ein Programm mit dem Namen „Stop Over in Bari“, welches kostenlose Stellplätze und Duschen, kostenlosen Fahrradverleih und freie Busbenutzung offerierte.

Dies änderte sich Ende der 80er bzw. Anfang der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts: Mit dem Zerfall Jugoslawiens und dem Ausbruch des Balkankrieges wurde die Straßenverbindung abgeschnitten oder das Befahren des Autoputs zu einem Risiko. Somit war Griechenland isoliert vom Kernraum Europas. Andererseits hatte sich der wirtschaftliche Austausch Griechenlands mit den mitteleuropäischen Kernräumen ständig erhöht.

Schlagartig verlagerten Straßentransportunternehmen ihre Routen auf die Adria. Jedoch standen zunächst nicht ausreichend Schiffe zur Verfügung. Da das Bauen von neuen Schiffen zu lange dauerte, wurden in einem ersten Schritt Schiffe von griechischen Inseln abgezogen. Gleichzeitig wurden auf dem Weltmarkt gebrauchte Schiffe gekauft bzw. aufgelegte aktiviert. Eine dritte Möglichkeit war das „Verlängern“ bereits vorhandener Schiffe, die quasi einfach durchgesägt und in die dann ein weiteres Element eingefügt wurde. Weiterhin wurden Neubauprojekte in Auftrag gegeben. Letztere deshalb, weil mit dem vorhandenen Gebrauchtmaterial kein effizienter Betrieb möglich war: Unterschiedliche, oftmals zu geringe Kapazitäten und Geschwindigkeiten verkomplizierten die Fahrpläne, überholte Techniken (z. B. nur eine Ein- und Ausfahrtrampe).

Zunächst trat „Superfast“ mit Hochgeschwindigkeitsfähren (HSF) auf den Markt – die Mitbewerber Minoan und Strinzis/Blue Star Ferries folgten. Der neue Geschäftsansatz war, von Mittelitalien so zu pendeln, damit einerseits die Verkehrsströme vor Apulien abgefangen werden, um kleinere Mitbewerber mit langsameren Fähren abzuschneiden. Andererseits sollte der Hafenort so liegen, dass die Verbindung I – GR über Nacht hergestellt werden kann. Hierfür stellte sich Ancona als geeignet heraus, das verkehrstechnisch etwas günstiger gelegene Ravenna (Schnittstelle der Verkehrsströme vom Brenner und aus Richtung Mailand) konnte trotz der durch die erhöhte Zahl der Laderampen (bis zu vier) verkürzten Be- und Entladungszeiträume nicht im 24-Stundenturnus angefahren werden; unproduktive Stillstände wären die Folge gewesen.

Angaben in h
a) bis 1980er Jahre
b) 1980er und frühe 1990er
c) ab Mitte der 1990er Jahre

Durchschnittliche Höchstgeschwindigkeit der eingesetzten Fähren
= a) 16kn – 22 kn
= b) 18 – 24 kn
= c) 25 31 kn

Zeitdauer
Bari - Patras.................a=15h....b=12h....c= 7h
Ancona - Patras.............a=20h....b=18h....c=15h
Venedig/Triest - Patras...a=36h....b=28h....c=20h

Um einen Prestigegewinn verzeichnen zu können, betrieb „Attika Enterprises“ ihre Fähren unter dem Namen „Superfast“. Da der neue Name Programm sein sollte, wurden die Schiffe mit sichtbaren Spoilern und Auspuffblenden ausgestattet und in einem sportlich wirkenden Ferrari-Rot gestylt. Dieses Konzept ging auf, obwohl die Schiffe langsamer und die Reise sogar teuerer als bei der Konkurrenz war. Da „Minoan“ den Erfolg von „Superfast“ sah, versuchten das Management diese Strategie zu kopieren und nannte sich zeitweise in „high speed“ um. Der Erfolg blieb jedoch aus und man kehrte zum alten Namen zurück.

So intensivierte sich der Schiffsverkehr immer mehr, dass täglich bis zu 10 Schiffe die Strecke von Ancona nach Patras fuhren und dabei theoretisch ca. 10000 Menschen und ca. 10000 Autos transportiert werden konnten. Dies führte zu Überkapazitäten, welche den Aktien der Unternehmen, die keine Perspektive aufzeigen konnten, einen Wertverlust von bis zu 95% zufügten. Da „Anek“ nur zwei Hochgeschwindigkeitsfähren besaß und die restlichen Bestellungen stornierte, konnten sie sich über Wasser halten. „Strinzis“ (Blue Star Ferries) hingegen wurde von „Superfast“ übernommen.

Die Fährgesellschaft „Minoan“ hatte zu viele Schiffe bestellt bzw. in Betrieb. Es wurden jedoch lediglich vier bis sechs auf der Adriaroute benötigt, zudem drückten die Zinslasten, was zur Folge hatte, dass die anderen an z. B. Corsica Ferries verkauft oder auf neuen Routen (Afrikaroute) werden mussten. „Superfast“ wich der Überkapazität u. a. dadurch aus, in dem sie ihre Schiffe nicht mehr im Mittelmeer fahren ließen, sondern in anderen Gewässern. Die Schiffe fuhren von Rostock aus nach Skandinavien. Der Ostsee-Nordsee-Verkehr wurde zu einem zweiten Standbein von „Superfast“, wobei sich auch hier aktuell (2008) Veränderungen durch zunehmende Konkurrenz abzeichnen.

Am Beispiel der „Anek“ lässt sich die Expansionsphase mustergültig nachvollziehen:

1989 stieg Anek in das internationale Geschäft ein, Verbindungen zwischen Ancona und Patras werden angeboten, dafür kommen die Schiffe F/B Lato und F/B Lissos zum Einsatz. 1992 wird das Angebot durch das F/B El. Venizelos erweitert, welches das an Personenzahl größte F/B im Mittelmeer darstellt. Nachteil des Bootes ist jedoch ab Mitte der 1990er Jahre die zu geringe Geschwindigkeit und zu lange Ladezeit. 1996 wird die Flotte wird durch die F/B Kriti I und II weiter ausgebaut. Die vorher nur von Bürgern der Insel Kreta erwerbbaren Aktien von ANEK Lines werden an der Athener Börse im Zuge einer Kapitalerhöhung angeboten.

In den Jahren 1999 und 2000 begeht Anek einen strategischen Fehler, indem die Strecke Triest - Patras durch die frisch erworbenen F/B Sophokles V. und F/B Lefka Ori bedient wird. Allerdings sind die Einheiten zu langsam für die Übernachtbedienung der Strecke von Triest, welche zudem etwas weiter ist. Die Konkurrenz der anderen Gesellschaften, die mit HSF unterwegs in der Adria sind, macht sich bemerkbar. Um nicht vollends ins Hintertreffen zu geraten, werden bei der Werft Fosen Mek in Norwegen vier Hochgeschwindigkeitsfähren bestellt. Die Highspeedferries Olympic Champion und Hellenic Spirit werden dann auch 2000 bzw. 2001 übergeben und von Ancona nach Patras eingesetzt. Da das Angebot an Fähren in der Adria nun zu groß ist, sich eine Entspannung der Situation im ehemaligen Jugoslawien andeutet und zudem Rumänien und Bulgarien der EU beitreten, ändert sich die wirtschaftliche Perspektive; daher werden die Optionen auf die zwei weiteren HSF nicht wahrgenommen. Versuche die älteren F/B außerhalb Griechenlands einzusetzen, als Testlauf wird Ravenna – Sizilien als Gegenstück zur etablierten Route Genua – Sizilien eröffnet, sind nicht von Erfolg gekrönt.

Anek Lines gibt 2005 Triest als Abfahrtshafen auf; Triest leidet besonderes unter der Möglichkeit nun Südosteuropa durch die EU-Beitrittsländer vereinfacht erreichen zu können; Venedig ersetzt Patras (www.anek.gr; http://www.ferries.org/anek.html; 12.02.2008).

..................................Baujahr....Länge.......V.....Personen....Pkw/Lkw
F/B Lissos........................1972........165.....20..........1900............600
F/B Lato..........................1975........188.....22..........2000............850
F/B Kriti I........................1979........191......23..........1600..........1200
F/B Sophocles...................1990........192.....25..........1600..........1100
F/B EL Venizelos...............1992........176.....22..........2500..........1100
H/S/F Olympic Champion....2001........204......32.........1850..........1100

Sicherheit

Nach dem am 26.09.2000 vor der griechischen Insel Paros die Fähre "Express Samina auf ein Riff läuft, wobei die Offiziere anstelle ihren Pflichten nachzugehen lieber ein Fußballspiel im TV sahen, wird der Aspekt der Sicherheit immer wieder angesprochen. In den letzten Jahren verbesserten sich die auf den internationalen Linien eingesetzen Fähren erheblich: „Und zusätzlich muss Griechenlandurlaubern zu denken geben, daß sich gerade bei den Fähren in Griechenland bzw. nach Griechenland die schlechten Beurteilungen häuften: 3x "mangelhaft" und 5x ein knapp erreichtes "zufriedenstellend" deutet (bei 13 insgesamt untersuchten Griechenland-Fähren) darauf hin, daß der größere Teil der Schiffe hier eigentlich besser nicht eingesetzt werden sollte...“

Heute klingt die Aussage wesentlich anders: "Die Groß-Schiffe im Fernverkehr sind allesamt in einem Top-Zustand. Größte Vorsicht ist aber beim Lokalverkehr zwischen den griechischen Inseln angebracht." (Matzke, Willi; 03.06.2004): Hier häufen sich immer noch "mangelhafte" Beurteilungen durch die tester, was auch daran liegt, dass die Laufzeit im innergriechischen Verkehr 5 Jahre über der internationalen liegt. Jedoch sollen auch hier lt. griechischer Botschaft Fortschritte erzielt worden sein.

Letztendlich bleibt immer noch der menschliche Faktor: Der Verfasser konnte auf seinen zahlreichen Griechenlandfahrten auf den Fähren genauso zahlreich Unzulänglichkeiten im Sicherheitsbereich entdecken, ein paar Beispiele: 25 cm über dem Meeresspiegel waren bei voller Fahrt Ladetüren geöffnet, um der tief im Schiffsbauch arbeitenden Besatzung „Belüftung“ zu verschaffen, als einmal eine Truppe feiernder Slowenen an Bord waren, wurden, nachdem sich andere Passagiere über Lärm durch zuschlagende Türen beklagt hatten, alle Sicherheitstüren verkeilt und angebunden. Nachdem ein paar Alkoholisierte mit einem Rettungsring gespielt hatten, sammelte die Besatzung sämtliche Rettungsmittel ein und stapelte sie auf der Brücke (erlebt im Jahre 2003).

Geschrieben 27.02.2008, Geändert 28.02.2008, 5861 x gelesen.

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Kommentare zu diesem Artikel

Kommentar von Vangelis-Griechenland vom 01.03.2008 12:31:55

Prima, gute Recherche und viel Arbeit!
Da sieht man mal wieder was die Liebe zu Griechenland bewirken kann :-)


Kommentar von Xanthippe vom 28.02.2008 22:43:34

Sehr interessant und hoch-informativ! Vielen Dank für die Mühe!


Kommentar von Ralf vom 28.02.2008 21:48:26

Danke für den interessanten Artikel über die griechische Fährenwelt. Habe den auch gleich mal im Forum verlinkt.