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Das Amt - der ganz normale Athener Wahnsinn (Teil 1)

Von Der Athener

Im Juli 2000 begann alles mit dem Tod meiner Mutter in Athen. Ich erfuhr, daß sie eine Lebensversicherung bei der Interamerican abgeschlossen hatte, ein Umstand durch den ich nun an einen für meine Verhältnisse nicht unbeträchtlichem Geldsegen gelangen sollte. So machte ich mich mit dem örtlichen Versicherungsvertreter auf in die Stadt um bei oben genannter Gesellschaft die mir zustehende Finanzspritze in Empfang zu nehmen. Schon auf dem Weg beruhigte mich Herr Michalis, so hieß der gute Mann, ich nannte Ihn beim Vornamen wie es in Griechenland üblich ist, daß die Interamerican ein sehr modernes, innovatives, nach Europäischen Maßstäben fungierendes Unternehmen sei und die Auszahlung der Versicherungssumme lediglich ein paar Minuten in Anspruch nehmen würde. Sie nennen es immer gerne europäisch, meine Griechen, wenn sie von etwas funktionierendem, unbürokratischem sprechen. Noch schockiert vom Tod meiner Mutter nahm ich seine Worte nicht so recht wahr und stapfte recht willenlos, nach der einstündigen Parkplatzsuche hinter Herrn Michalis her in das prunkvolle Hauptgebäude der Versicherungsgesellschaft.

Die freundliche Dame hinter dem in schwarzem Marmor verkleideten Empfang, informierte uns, daß die Lebensversicherungen im Nachbargebäude, eine Straße weiter verwaltet werden und daß wir uns dort bitte an Frau Angeliki wenden sollten.

Ich war in meiner eigenen Welt und der schwarze Marmor erinnerte mich an das Jahr in dem ich nicht weit von hier, bei Moschus im Marmorwerk gearbeitet hatte. Ich habe diesen Job gehaßt. Die eh schon große Hitze unter dem Elenit-Dach, wurde durch die Reibung der diamantbeschichteten wassergekühlten riesigen Sägeblätter auf dem harten Marmor noch verstärkt. Es waren keine schönen Tage, dort in dieser Hölle, aber zu der Zeit hatte ich keine Wahl. Seitdem habe ich eine Abneigung gegen Marmor, ganz gleich in welcher prachtvollen Farbe und Maserung er sich mir zeigt, ob weißer vom Pendeli, grauer aus Kavala, braun-gemaserter Karnaseiko aus der Nähe von Epidaurus, grüner oder schwarzer, ob in kleinen polierten Kacheln oder in großen Platten, immer wenn ich Marmor sehe muß ich an die 50-Tonnen Blöcke denken, die Nachtschichten, die Hitze, das mit Staub versetzte Kühlwasser, welches sich in jede Pore der Haut festsetzte, die Verletzungen die ich mir in diesem Job zugezogen hatte.

Weiter stapfte ich, gedankenverloren hinter Herrn Michalis her, entlang der Kifissias Avenue in das Nachbargebäude, auch in Marmor verkleidet, - diesmal weiß, vom Pendeli denke ich mir, ziemlich weich - in die zweite Etage. Ein hektisches Großraumbüro, voller Akten und Privatgespräche führender junger Damen. Frau Angeliki, eine gutaussehende, sehr gepflegte junge Frau, so Mitte dreissig kannte den Vorgang – offensichtlich bestehen nicht allzuviele Verträge mit Ausländern- und zauberte unter einem Berg identisch aussehender Akten die meiner Mutter hervor. „Ja“ sagte Sie „das ist kein Problem...“ Moment, da wurde ich stutzig. Für einen Moment war ich hellwach..., das Marmorwerk löste sich in Luft auf... es gibt kein Problem? Ich erinnerte mich, daß ich mich doch in Athen befand. Es gibt keinen Behörden- oder ähnlichen Gang in diesem Land, der problemlos vonstatten geht. „Das ist gar kein Problem...“ wiederholte die gute Frau, „Es gibt kein Problem...“ sagte diese griechische Göttin mit Ihrem gelockten wunderschönem schwarzem Haar. Und wie adrett, geschmackvoll sie gekleidet war, ein Frau zum Verlieben. Ich hätte sie umarmen können.

Und sie sprach weiter... „es ist kein Problem, geben sie mir die amtliche Todesurkunde, eine Geburtsurkunde der Verstorbenen, einen Erbschein, eine Geburtsurkunde des Begünstigten, alles in griechischer Sprache, vom Konsulat beglaubigte Übersetzungen natürlich, dann bekommen Sie von mir eine Bescheinigung. Mit dieser Bescheinigung gehen sie zum Finanzamt, zahlen die erforderliche Steuer und das Finanzamt stellt Ihnen eine weitere Bescheinigung aus. Damit kommen sie wieder zu mir und erhalten innerhalb weniger Tage einen Scheck“ so, in einem Satz sprach diese häßliche, unhöfliche Ziege, mit Ihrer äußerst schlampigen Kleidung und, sehe ich richtig? Ja mit dem fettigem Haar, welches schon zu ergrauen begann, mein Urteil aus, das mich auf eine Odyssee schickte, deren Ausmaße ich zu diesem Zeitpunkt nicht im geringsten erahnte. Nur eines wurde mir sofort klar, in diesem Urlaub würde ich diesen Scheck nicht erhalten. Frau Angeliki widmete sich dem abblätternden roten Lack Ihrer Fingernägel und signalisierte damit, daß das Gespräch hiermit beendet sei.

Etwas frustriert machte ich mich auf den Weg, versuchte die letzten Tage meines Urlaubs zu genießen, was mir nicht sonderlich gut gelingen wollte, Anbetracht der schwarzen Wolke, dem Tod meiner Mutter, von dem ich erst vor einer Woche erfahren hatte, einer Wolke, die ständig über mir schwebte.

Da es in dieser Geschichte um meine Erlebnisse auf dem griechischen Amt und um meine Stadt Athen geht, kürze ich die Vorgänge in Deutschland ab. Eine Geburtsurkunde meiner Mutter hatte einer meiner Tanten noch in Ihren Akten, Erbschein und alles weitere waren verhältnismäßig schnell ausgestellt. Die Übersetzung des ganzen Werkes kostete mich ein kleines Vermögen, doch auch das lief recht unbürokratisch ab, so daß ich innerhalb von einem Monat alles benötigte beisammen hatte. Es sollte aber Dezember 2001 werden, bis die Umstände eine weitere Griechenlandreise zuließen.

Geschrieben 06.03.2002, Geändert 06.03.2002, 1003 x gelesen.

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