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Das Amt - der ganz normale Athener Wahnsinn (Teil 3)

Von Der Athener

Ein neuer Tag, ein herrliches Wetter und ungeahnte Energie in mir waren bestimmt Auslöser eines scharfsinnigen, konstruktiven Gedankens. „Ralf, Du mußt ins Zentrum, zum Omonia, also fährst Du bis zur „Amina“ (dem griechischen Pentagon) und nimmst die dort endende U-Bahn-Linie zum Zentrum“. Gut gelaunt machte ich mich auf den Weg, erreichte das angestrebte Teilziel in weniger als 2 Stunden. Das riesige Park&Rail Schild gab mir Hoffnung und so bog ich ab um mein Auto abzustellen. Natürlich war der Parkplatz so überfüllt, daß ich am Ende Probleme hatte mein Auto wieder auf die Straße zu lenken. Man stelle sich ein Kölner Parkhaus vor, welches mit dreimal mehr Fahrzeugen gefüllt wird, als die eigentliche Kapazität zuläßt um den in Athen herrschenden Zustand zu visualisieren. Ein systematisches langsames Abfahren aller engen Seitenstraßen machte mir meine guten fahrerischen Qualitäten auf engstem Raume bewußt, half mir aber nicht den begehrten Parkplatz zu finden. Also entschied ich mich für den Wahnsinn, mit dem Auto zum Omonia Platz zu fahren.

Auf dem Weg sah ich noch ein Kuriosum, wie es einem nur in Athen begegnet. Ein geschäftstüchtiger älterer Herr hatte kurzerhand die Mauer seines Vorgartens abgerissen und vermietete den ehemals gepflegten Rasen vor seinem Haus als Parkplatz. Ein von Hand geschriebenes Schild mit schiefen Buchstaben „PARKIN“ wies darauf hin und die 6 Autos auf dem Rasen zeigten, daß es sich um eine geniale Geschäftsidee handelte. Mir half das alles nichts, auch hier keine freie Fläche für mein Auto, also fuhr ich mit einer rasanten Geschwindigkeit von ca. 10 Metern pro Stunde in die Stadt.

Der Verkehr drängte mich vom Ziel etwas ab und ich landete am Fuße der Akropolis, in der Plaka, wo ich doch tatsächlich eine Parklücke fand. Zwar im Halteverbot, doch ich vertraute zu Recht auf die Trägheit der örtlichen Polizisten, die niemals den beschwerlichen Weg hierhin finden würden. Mit der Bahn fuhr ich vom Monastiraki die eine Station zum Omonia, wo ich die Katakomben der U-Bahn verließ um inmitten einer Demonstration der Athener Müllmänner, umzingelt von MAT (Kasernierte Polizei) wieder ans Tageslicht zu gelangen. Kurz fühlte ich mich in die Zeit der Obristen versetzt, merkte aber schnell, das alles hier ganz friedlich ablief, kein Verhör auf einer Wache drohte, wie ich ihn als Heranwachsender hinter mir hatte und machte mich auf den Weg zur naheliegenden Likourgou Straße.

Das Finanzamt in der Likourgou ist ein jämmerlicher, trostloser, unfreundlicher Bau, voller Menschen die von hier nach da eilen, ohne so recht zu wissen wohin, die Beschilderung an den Türen ist nicht sehr hilfreich. Und so machte ich mich, mit den ganzen anderen Kopflosen auf die Suche nach der Stelle, die Schenkungs- und andere Urkunden in Erbsachen ausstellt. Ich fragte hier, und dort und nach einigen fehlgeleiteten Irrzügen durch alle 7 Etagen des Gebäudes landete ich am eigentlichen Ziel, einem kleinen Büro ohne Fenster in der zweiten Etage. Mit mir auch viele andere, ich stellte mich hinten an, machte meinen Körper so groß und breit wie möglich um weitere Hereindrängende nicht an mir vorbei zu lassen. Nach geduldigem Warten stand ich vor dem Schreibtisch eines sehr grimmig ausschauenden Beamten, mit offenem Hemd, behaarter Brust und einem riesigem goldenen Kreuz im Wald seiner Brustbehaarung.

Er schaut mich grimmig an, sagt lediglich „Esi?“ (Du?) und macht diese im griechischen typische Bewegung, eine kurze Drehung mit der Hand, die ihm das mühsame Aussprechen der Frage, was ich denn wolle, erspart. Brav leier ich mein Anliegen in perfektem griechisch herunter, immer bedacht die hinter mir hereindrängenden Massen davon abzuhalten mir meinen lebenswichtigen Standplatz vor dem Schreibtisch strittig zu machen. ... „Ich brauche eine Schenkungsurkunde, für eine Lebensversicherung, möchte darauf hinweisen, daß ich, der Begünstigte, Ausländer bin, die Verstorbene auch, wobei ich im Ausland wohnhaft bin, während die Verstorbene in Athen wohnte“. Ich denke mir, nun alle für ihn wichtigen Informationen weitergegeben zu haben und tatsächlich, er dreht sich um, greift in einen riesigen Stapel identischer leerer Formulare hinter sich, drückt mir drei davon in die Hand und spricht: „Ausfüllen, dreifach, damit zum für die Verstorbene zuständige Finanzamt Ihres Wohnortes, dort, wo sie Ihre Steuererklärung abgegeben hat“. „Sie hat nie eine abgegeben“ gebe ich zu bedenken. „Meine Mutter hat in Griechenland nie gearbeitet, hatte kein Einkommen sondern war Hausfrau“ „Ja“ antwortet er gereizt. „Ausfüllen, dreifach, damit zum für die Verstorbene zuständige Finanzamt Ihres Wohnortes, dort, wo sie Ihre Steuererklärung abgegeben hat“

Verzweiflung steigt in mir auf. Er versteht mich nicht, oder er ist gar kein Mensch... er hat ein Endlosband in sich ablaufen... welch absurder Gedanke. „Wo ist das Finanzamt bei dem jemand eine Steuererklärung abgibt, die er nie abgegeben hat, weil er einfach keine abgeben mußte?“ versuche ich es noch einmal, etwas gereizt... doch er läßt sich nicht beirren, versucht mir aber freundlicherweise mit folgendem Hinweis weiterzuhelfen: „Ausfüllen, dreifach, damit zum für die Verstorbene zuständige Finanzamt Ihres Wohnortes, dort, wo sie Ihre Steuererklärung abgegeben hat“.

Ich gebe auf, piepse aber noch mit letzter Kraft ein „Meine Mutter hat in Melissia gewohnt“ „Gut, Gut“, antwortet er. „Ausfüllen, dreifach, damit zum für die Verstorbene zuständige Finanzamt Ihres Wohnortes, dort, wo sie Ihre Steuererklärung abgegeben hat, Melissia, Melissia, Melissia“, wo bei er das letzte Melissia fast schreit.

Meine Hände sind nicht mehr unter Kontrolle, die Finger bilden einen Würgegriff und schnellen in Richtung des behaarten Halses des Beamten, aber für einen Moment passe ich nicht auf, schon haben mich die nachdrängenden Massen von meinem günstigen Standpunkt verdrängt, aus den Augenwinkeln sehe ich noch den in die Ferne rückenden Beamten, der sich der wichtigen Aufgabe widmet mit dem überlangem Fingernagel seines kleinen Fingers das Ohr zu reinigen und verstehe das ich an dieser Stelle nicht weiterkommen werde. Ein Blick auf meine Armbanduhr zeigt mir, daß es wenig Sinn hat diesen Behördengang.... Antarktis.... Athener Verkehr... und somit fahre ich mit meinen drei Formularen wieder ins Sommerhaus zurück. Die letzten Absätze sind schnell gelesen, doch sie beschreiben eine Zeitspanne, die mit An- und Abfahrt, ca. 7 Stunden gedauert hat, wie der geneigte Leser sich vielleicht vorstellen kann. Meine Schwester nahm mich mit den aufbauenden, hilfreichen Worten : ... „Oli Malakes ine stin Eforia“ in Empfang und bei einem schönen Abend in der örtlichen Taverne sammelte ich neue Kraft für den nächsten Tag...

Geschrieben 06.03.2002, Geändert 06.03.2002, 913 x gelesen.

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