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Das Amt - der ganz normale Athener Wahnsinn (Teil 6)

Von Der Athener

Ich gehe in die zweiter Etage, erblicke eine riesiges Schild mit dem Buchstaben A FI MI. Überall liegen Anträge herum, ich ergatter zwei und trage ehrlich und nach bestem Wissen und Gewissen, wie ich mit meiner Unterschrift bestätige die geforderten Daten in die dafür vorgesehenen Felder ein. Nun stelle ich mich in die Schlange... gerade mal lächerliche 20 Menschen vor mir und komme nach kurzer Zeit an die Reihe. Die Dame hinter dem Schalter nimmt sich die Anträge, die Todesurkunde und innerhalb 3 Minuten ist meine verstorbene Mutter steuerlich geführt in Griechenland. Ich bin begeistert, man braucht nur zu sterben in diesem Land und bekommt jede Bescheinigung vollkommen unbürokratisch, offensichtlich. Ich schaue mich in Erwartung meiner eigenen Steuernummer im Raum um. „Entschuldigen Sie“ klingt es vom Schalter“ Ich drehe mich um... „Sie wohnen im Ausland“. „Ja, sicherlich“ sage ich und lächle. „In Deutschland“. „Dann müssen Sie mit Ihrem Antrag in das für Ausländer zuständige Finanzamt am Omonia Platz in der Likourgou Straße.“ „In der Likou...“stottere ich? Ich fühle mich schwach, habe das Gefühl mich übergeben zu müssen... „Aber...da komme ich doch her...“ „Tut mir wirklich leid, wenn Sie im Ausland wohnen müssen Sie in die Likourgou“. „Und wenn ich nicht... ich meine wenn ich hier leben würde?“ „Dann könnte ich ihnen eine Steuernummer ausstellen.“ Likourgou denke ich, Antarktis, Athener Verkehr..., unerreichbar weit weg. Vor meinem geistigen Auge erscheint der Lektor aus Gersfeld... kriminelle Energie walten lassen... und die Dame am Schalter hat einen Zaunpfahl in der Hand mit dem sie mir zuwinkt. „Es ist eine Erklärung, die sie da ausfüllen und sie bestätigen mit Ihrer Unterschrift die Wahrheit Ihrer Angaben, ich kann das nicht prüfen“. Ich fülle einen neuen Antrag aus, setzte die Adresse meiner Schwester ein, lasse das Feld für „Im Ausland Wohnhaft“ weiß, unterschreibe und schiebe ihr den Zettel über den Tresen. Ich lächle sie an: „Ich wohne in Griechenland, ich wohne hier“.

Sie nimmt sich das Papier... Keratea liest sie vor. „Ja, wenn sie in Keratea leben dann müssen sie in das zuständige Finanzamt nach Lavrio“. (Lavrio liegt 70 km von Athen entfernt). Ich breche zusammen, nein ich möchte zusammenbrechen, aber ich mache hier nicht schlapp. Meine Stiefmutter fällt mir wieder ein... „Sie müssen Mitleid mit Dir haben... nur so... „ Alles Quatsch, ich bin kein Opfer, aber mir fällt nichts besseres mehr ein. „Können sie denn gar nichts tun?“ frage ich sie „gar nichts?“. „Nun ich könnte in Lavrio eine Steuernummer für sie freischalten, über den Computer“ Sie spricht das Wort Computer mit großen angstvollen Augen aus, so wie meine kleine Schwester als Kind die Worte Drachen und Monster ausgesprochen hatte. Ich spüre, daß ich in dieser Sekunde etwas tun muß... Sie ist kurz davor sich der Gefahr Computer zu stellen, braucht einen kleinen Ruck nur noch, sie zögert noch. „Bitte“ stammle ich, „bitte. Meine Arme Mutter wurde letzes Jahr begraben und von dem Geld der Lebensversicherung wollte ich endlich einen anständigen Grabstein um den Erdhaufen bauen lassen unter dem Sie heute noch liegt. Bitte, tun sie etwas. Ich muß übermorgen nach Deutschland zurück. Bitte helfen Sie mir, der armen Seele meiner Mutter zuliebe, bitte“ Mutter, Seele der Verstorbenen... die Worte gehen unter die Haut, ich bin froh hier aufgewachsen zu sein, die Mentalität fast angenommen zu haben. Grabstein... ja, das nimmt Ihr die letzte Scheu vor dem Monster mit den Tasten, das Erbe der stolzen, furchtlosen, griechischen Freiheitskämpferin von 1821 erwacht in Ihr, sie setzt sich vor den Bildschirm und kämpft sich mühsam durch das Programm. Nach ca. 20 Minuten ist das Werk vollbracht, ich besitze eine eigene Steuernummer in Griechenland..., in Lavrio zwar, ich weiß noch nicht mal genau, wo das ist, aber das spielt keine Rolle.

Mit den Nummern bewaffnet renne ich wie ein Irrer in die Dritte um sie der Schenkungsurkundendame zu überreichen. „Ah sehr gut“ Jetzt muß ich nur noch im Computer überprüfen, ob Ihre Stuernummern auch geführt sind“ Ich werde irre... ich habe diese Nummern doch eben erst... egal. Sie sitzt schon vor dem Bildschirm, dem einzigen in diesem Raum. Ich schicke ein Stossgebet los... „Bitte liebes Netzwerk, bitte funktioniere und zeig Ihr die Nummern“ Das Netzwerk erhört mein Gebet, sie lächelt und kehrt zurück. „Alles in Ordnung, jetzt zahlen Sie unten im Ersten an der Kasse 77.000 DRX und bringen mir die Quittung. Sie müssen sich beeilen, die Kasse schließt um 13:30. Ich schaue auf die Uhr... noch zehn Minuten. Wie vom Teufel gejagt renne ich die Stufen (Marmor, grau, Kavalla) nach unten, renne die frustriert abziehende D17 fast um, erreiche die Kasse... nur drei Menschen vor mir... Ich schaffe es... ich schaffe es... ich zähle mein Geld... es reicht, ich habe genau 80.000 dabei. Ich zahle und erhalte meine Quittung mit der ich wieder in die dritte renne. Ich erhalte meine Unterschrift und drei Stempel auf der Urkunde und bin erlöst. Ich habe es geschafft. Vier Stunden nur in diesem Finanzamt, ich habe es geschafft. Auf dem Weg nach draußen begegne ich D15, der Arme Kerl muß wieder kommen. Er tut mir leid, nein tut er mir nicht wirklich... ich bin so voller Freude diesen Kram hinter mir zu haben, daß ich die ganze Welt umarmen könnte.

Die restlichen Formalitäten bei der Verischerungsgesellschaft waren tatsächlich schnell geklärt, ich bekam meinen Scheck am nächsten Tag (3 Stunden Anfahrt, Parkplatzsuche, 50 Blocks... etc.) und konnte ihn sofort zur Bank bringen (1 Stunde Fahrt, Parkplatzsuche, 23 Blocks, 40 Menschen in der Schlange vor mir). Dort begegnete man mir mit den üblichen Worten „Es gibt ein Problem“, doch als ich die Kassiererin davon überzeugt hatte, daß man als EG Mitglied nun wirklich keinen Reisepass mehr bräuchte und der Personalausweis ausreichend sei durfte ich mein Geld, nach kurzer Rücksprache beim Bankdirektor, endlich auf mein Konto einzahlen.

Nachwort:

Die griechische Bürokratie kann einen schon an die Grenzen seiner Kräfte treiben. Die Zustände sind für einen Mitteleuropäer nicht nachvollziehbar. Man fühlt sich machtlos der Willkür der Beamten ausgeliefert. In Griechenland hat sich ein eigener Dienstleistungszweig entwickelt. Es sind Menschen, die für Firmen und Unternehmen sogenannte exoterikes Ergasies übernehmen. (Externe Arbeiten). Das sind Gänge zu den Banken, und anderen Behörden. Bewaffnet mit einer Tasche, auf einem kleinen 50er Roller rasen diese Engel durch die Stadt, haben Ihre Beziehungen bei jeder Behörde, erreichen alles etwas einfacher, als der Normalbürger. Ob dabei kleine Geschenke, (Rousfeti) eine Rolle spielen überlasse ich der Phantasie des Lesers. Doch es gibt Amtsgänge, welche die Bürger persönlich erledigen müssen, Anträge, die man nur persönlich einreichen kann. Vor diesen hat jeder Grieche den wahren Horror. Allerdings habe ich auch Verständnis für die Beamten, die oftmals von mehr als 50 Menschen gleichzeitig bedrängt werden und somit aus reinem Selbstschutz auf diese kaltschnäuzige, unmenschliche Art handeln müssen. Aber es sind Ansätze zu erkennen. Das ganze war vor Jahren noch schlimmer und so haben die Banken zumindest diese Nümmerchen eingeführt, wie wir sie bei uns von den Strassenverkehrs- oder Arbeitsämtern kennen.

Geschrieben 06.03.2002, Geändert 06.03.2002, 874 x gelesen.

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