Bericht aus Paros

Liebe Forum-Besucher,

ich sehe schon, dass ein Bericht von vor Ort gewünscht ist.

Ich bin noch völlig übernächtigt, da ich die ganze Nacht nicht geschlafen habe, aber ich versuche möglichst sinnvoll zusammenzufassen:

Ich wohne ca. 500 Meter vom Hafen Paros' entfernt und hörte erstmals übers Fernsehen vom Unglück, da ich zu der Zeit schon zu Hause war. Da aber ein Freund von mir noch auf seine Fähre wartete (ich hatte mich schon von ihm verabschiedet), fuhr ich nochmal in Richtung Hafen, um zu sehen, ob er nochmal eine Unterkunft brauchte. Unterwegs hielt mich eine Frau an und setzte mir einen völlig durchnässten Mann ins Auto, der wohl gerade, eine Stunde nach dem Unglück, an Land gespült worden war. Erst dann realisierte ich das Ausmaß des Unglücks.

Am Hafen sah die Situation so aus: Niemand soll sagen, dass die Griechen nicht überaus hilfsbereit seien. Sofort nach dem Unglück waren Fischerboote, Jachten und Segelboote rausgefahren, um zu helfen (bei Windstärke 8) und haben alles aufgesammelt, was an Menschen aufzulesen war. Diese haben sie am Hafen abgeliefert, wo schon alle verfügbaren Hotelbusse warteten, um die armen Menschen zum Krankenhaus zu bringen. Andere haben Wolldecken und andere nötige Dinge angeschleppt. Andere wiederum haben die Strände und praktisch die ganze Küste abgesucht, um nach angespülten Opfern zu suchen. Glücklicherweise blies der Wind in Richtung Paros und Antiparos, so dass viele schnell an Land gespült wurden. Es war eine geisterhafte Atmosphäre wie in einer Katastrophen-Film-Kulisse.

Gerüchte (noch ist wohl nichts sicher) besagen, dass der Kapitän zum Zeitpunkt des Unglücks Fußball geguckt hat (Hamburg gegen Panathinaikos). Er war völlig vom Kurs abgekommen und auf ein gut beleuchtetes und bekanntes Riff aufgelaufen. Das hatte wohl auch mit dem Sturm und dem Alter des Schiffs nichts zu tun. Das Schiff ist die "Express Samina" gewesen, auf dem Weg von Piraeus nach Samos (mit Halt auf Paros). Vormals war es die "Golden Vergina". Da kurz nach dem Aufprall die Stromversorgung ausfiel, gerieten die Menschen in Panik und sprangen zum Teil einfach so ins Wasser, Rettungsboote konnten wohl nicht benutzt werden. Es wird auch behauptet, dass die Mannschaft des Schiffes zum besagten Zeitpunkt auch "abgelenkt" war und nicht rechtzeitig an Ort und Stelle sein konnte. Der Kapitän ist inzwischen festgenommen worden.

Soweit ich bis jetzt erfahren habe, sind ca. 60 Tote zu beklagen, darunter (noch) keine Deutschen, aber viele Griechen und einige Australier und Südafrikaner. Die Stimmung ist sehr übel. Noch kreisen Hubschrauber überall über dem Meer entlang der Küste. Da immer noch Sturm herrscht (bisweilen Windstärke 9), werden die Rettungsarbeiten stark behindert. Die Geretteten sind alle in den umliegenden Hotels untergebracht.

Wir hoffen, dass aus den ca. noch 40 Vermissten nicht auch noch Opfer geworden sind. Und dass sowas nicht nochmal passiert.

Liebe Grüße aus Paros,

Martina

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