Von
zorbas
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Hallo,
ich bin bei dem großen Erdbeben am 13.09.1986 vor Ort in Kalamata gewesen. Die Stadt und einige umliegende Dörfer wurden sehr schwer beschädigt. Einige Straßenzüge sahen hinterher aus, als hätte es einen Bombenangriff gegeben. Die alte Innenstadt war fast völlig zerstört.
Ich befand mich zu dem Zeitpunkt des Bebens in einer einfachen Hütte auf dem damaligen Campingplatz „Maria‘s Sea and Sun“ und stand auf einer gegossenen Betonplatte. Die Stöße des Bebens waren so heftig, daß unter mir der Betonboden riß und sich eine Spalte von ca. 3 cm sich öffnete. Ich geriet in völlige Panik, da ich als ehemaliges Zonenrandkind augenblicklich und mit den verwurzelten damaligen Ängsten vor einem Überfall der Sowjetunion davon überzeugt war, daß der 3.Weltkrieg ausgebrochen und eine Atombombe abgeworfen worden wäre. Verstärkt wurden diese Ängste bei mir durch Unmengen von lockerem und runterrutschendem Gestein und Staub aus dem hinter dem Platz liegenden Berg, verbunden mit entsprechendem Lärm und zusätzlich heulenden Sirenen. In der Zwischenzeit liefen auch alle Camper schreiend und planlos auf dem Platz herum, gebrochene Abwasserrohre ließen der braunen Brühe freien Lauf, die zu dem Platz gehörende Taverne mit Verkaufsladen hatte keine Scheiben mehr, im Laden waren die meisten Flaschen runtergefallen, Regale umgekippt. Ich fühlte mich absolut hilflos und nicht begreifbaren Gewalten ausgeliefert. Der Verstand setzte aus, diffuse Fluchtgedanken kamen, jedoch flüchten konnte ich nicht, denn ich hatte keine Ahnung, wohin ich hätte flüchten können. Als kleine Nachbeben kamen, schrien immer alle Camper wie auf Kommando in erneuter Panik. Daher schlief in der folgenden Nacht auch niemand im Haus, selbst das Schlafen, wohl bei vielen mehr ein Dösen, wurde in Zelten und Wohnmobilen vermieden. Ein Festessen für die Gounupies, die kleinen fiesen Bartmücken.
Das absolute ausgeliefert sein, ohne eine einzige Chance, etwas dagegen zu tun können, war für mich verbunden mit meinen Ängsten für mich eine der schlimmsten Erfahrungen in meinem Leben. Und mit Auswirkungen. Noch Tage nach dem Beben konnte ich nicht richtig schlafen, die Rückfahrt auf der Fähre von Patras nach Ancona empfand ich zuvor immer als angenehm, das Stampfen des Schiffes hatte mich oft wohlig einschläfern lassen. Das war nun vorbei. Bei jedem Stampfen schrak ich auf, zwar nicht mehr panisch, aber schon noch sehr erschrocken.
Daß bei diesem Beben es nicht mehr menschliche Opfer gegeben hat, lag an dem Umstand, daß an diesem Tag eine große Prozession stattfand und zum ersten Mal eine Fähre von Kalamata nach Kreta abfuhr und daher in der Stadt sich nur sehr wenige Bewohner aufhielten.
Zorbas
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