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Samos 1988 - Kurztrip in die Vergangenheit

Geschrieben am 18.04.2016 07:57:22

Von
george.1
george.1

2884 x gelesen
21 Antworten

Ich habe ja schon erwähnt, dass ich dabei bin, zigtausend Dias zu digitalisieren.
Bei einigen Bildern kommen mir unwillkürlich Geschichten in den Sinn.
Eine davon möchte ich hier erzählen:

Wer Oregano liebt, wird es bestätigen können:
Frisch vom Markt - ok.
Aber wer keinen Markt in der Nähe hat, dem bleibt nur der - noch leidlich grüne - von einer Maschine traktierte, gerebelte. Glas oder Transparent-Tüte.
Nur ... Oregano, am Stängel von der knallharten Sommersonne "geröstet", dunkelbraun, fast schwarz, geerntet bevor der Herbstwind den Blütenstand ausbläst ... DAS ist Oregano.
Wenn der dann auch noch von einer griechischen Insel ist ... ich könnte mich reinlegen.
Feta, ein paar Tropfen Olivenöl drüber und diese dunklen "Brösel" (wie mein Enkel zu meckern pflegt), ein Stündchen ziehen lassen ... der Wahnsinn.

Freunde hatten mir empfohlen, sollte mich mein Weg nach Samos führen, an eine bestimmte Stelle zu fahren. Ende September, Anfang Oktober Oregano pur. Soweit das Auge reicht.
1988 war es dann soweit und Oregano musste natürlich mit. Die geschilderte Stelle war gleich gefunden und wir haben uns mehr als reichlich eingedeckt.
Unbarmherzige Herbstsonne und - der Leihwagen stand mangels besserem mitten in der Affenhitze - das mitgebrachte Wasser hatte die optimale Temperatur.
Auf dem Weg hier rauf ins Gebirge (250 m *lol*) sind wir an einem kleinen Dorf vorbeigekommen. Da kriegen wir sicher ein Gläschen frisches Wasser.

Der Ort war wirklich mini, ein paar Häuser, ein Kirchlein, keine Taverne. Irgendwas sah nach Kafenion aus.
Also rein mit einem freundlichen Kalimera.
Nur ein Raum (vermutlich war das mal ein Wohnzimmer), links am Fenster ein Tisch mit 3 wackligen Stühlen.
Geradeaus eine "Theke" aus Steinen und Brettern und rechts ein altes Ledersofa, davor ein Riesentisch.
Da saß eine Oma mit ihren beiden Enkeln, spielenderweise weggetreten.

Haben sie frisches Wasser? Vielleicht sogar Quellwasser?

"Aber natürlich!" kam die Antwort. Und als wir uns an den Fenstertisch setzen wollten, wurden wir auf das Ledersofa gebeten. "Sitzt man besser".
Wir haben uns dann noch einen gr. Kaffee machen lassen - vari glyko.
Trotz unserer damals noch sehr dürftigen Sprachkenntnisse sind wir doch ins Gespräch gekommen. Der Schwiegersohn arbeitet als Mädchen für alles in einem Hotel in Pythagorion, die Tochter hilft heute der kranken Nachbarin im Haushalt.
Nach einem Schoppen Wein und einem Ouzo wollten wir uns dann verabschieden.
By the way Ouzo ... kennt einer von euch noch die alte Sitte, wie ein Ouzo traditionell serviert wird?
Auf einem Tellerchen eine kleine Scheibe Weissbrot (eine Art Baguette), darauf eine dicke Scheibe Tomate, dann ein Brocken Schafskäse (logo mit "Brösel"). Das ganze mit Zahnstocher und einer schwarzen Olive stabilisiert.
Daneben der Ouzo. In einem Wasserglas nach Schnauze portioniert. Pur natürlich. Das waren mehr als 4 cl. Und das für 30 Drachmen.

Hier ist das Bild, das mich zu dieser Ministory veranlasst hat.
www.in-greece.de/samos/foto/49210-samos- 88-1000-drachmen-waren-5-70-dm-30-grd-al so-ca-9-cent

Damals - 1988 - waren 1000 Drachmen 5,70 DM. Also 30 Drachmen ungefähr 17 Pfennig, somit heute ca. 9 Cent. Ouzo mit Beilage.

Die Tür geht auf und es erscheint ein mittelalterliches Ehepaar ... Deutsche.
Grusslos knallen sie sich auf 2 Stühle am Fenstertisch.
"Die Karte bitte". Oma erklärt denen, dass dies keine Taverne sei und es nichts zu essen gibt.
Die Deutschen verstehen Bahnhof. Klar, oder? Mit den Fingern zeigt der Mann auf seinen geöffneten Mund und macht Kaubewegungen.
Oma wiederholt sich nur. Was soll sie auch sonst sagen. Und in welcher Sprache.
Ich weiss nicht, warum ich mich immer einmischen muss. Ein Übel, das mich mein ganzes Leben schon verfolgt.
Also habe ich Dolmetscher gespielt.
Ob denn gar nichts zu essen da wäre?
Oma hat noch 1,5 kg Tomaten, Zwiebeln, Schafskäse und selbstgebackenes Weissbrot. Sie könnte einen Tomatensalat machen.
Die zwei waren einverstanden. Zu trinken? Nichts, danke. Wir haben Wasserflaschen im Auto.
Mussten wir also noch dableiben bis die zwei wieder weg waren. Also noch einen Schoppen Retsina und einen Ouzo mit Beilage. Und zwei Kaffee.

Der gnä' Herr rieb Daumen und Zeigefinger aneinander. International wohl für "Zahlen". Ohne "bitte".
Oma kannte das nicht, also habe ich sie gefragt, was die beiden Gäste zu zahlen haben.
"Diakosia peninta".
Wie denn, wo denn, was denn?
250 Drachmen für geschätzte 2 kg Tomatensalat und Brot? Kann schon sein ... hier oben. Aber für die zwei? Nee, ne?
Gnä' Herr sah mich schon fragend an.
"600 bitteschön. Ich hoffe, sie haben kleine Scheine".
Hatte er. Schob diese kommentarlos unter seinen Teller und beide verliessen die Bühne.

Oma machte sich vor Schreck bald in die Hose als sie nachgezählt hatte und wollte den beiden hinterher.
Doch die waren schon weg.
Als wir dann zahlen wollten, kam das erwartete Theater. Nichts. Natürlich nichts. Alles erledigt.
Sie war davon auch nicht abzubringen.
Unsere Rechnung wären 240 Drachmen gewesen. Also lächerliche 1,37 DM. Ich habe heimlich 300 Drachmen unter die Tischdecke geschoben.
Mit dem Versprechen, beim nächsten Samos-Besuch unbedingt vorbeizukommen sind wir dann auch los.

Wir sind nie wieder nach Samos gekommen.
Weil es noch zu viele andere Inseln und Fleckchen in diesem wunderschönen Land mit seinen tollen Bewohnern zu entdecken gab.
Und als ich mich entschieden habe, wir besuchen ab nächstem Jahr nochmal unsere Lieblingsplätze, hat mich diese blöde Krankheit erwischt.
Έτσι είναι η ζωή.
Aber das ist eine andere Baustelle ...

P.S.
Was ich hier im Forum über Samos lesen musste ist wirklich erschreckend. Aber ohne die aktuellen Entwicklungen zu kennen behaupte ich:
Eine alte Liebe rostet nicht!

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