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Die Insel Agios Efstratios

Von Jorgos Milonas

Wer sich auf die schier verlassene Insel Agios Efstratios begibt, beweist sich selber, dass er ein etwas anderer Tourist ist. Einmal täglich ist Efstratios mit Limnos verbunden. Schon nach kurzer Bekanntmachung mit dem Kapitän, des nicht über jeden Zweifel erhabenen Fährschiffes, das mich nach dieses Insel bringen soll, werde ich schmunzelnd gefragt: "was glaubst du auf Ai Strati zu finden?" Meine Neugier steigt, da ich auf meine Fragen nur wenig aufschlussreiche Antworten bekommen habe.

Der Hafen und das darüber gelegen Dorf bieten bei der Ankunft ein herrliches Fotomotiv; noch näher kommend, erkennt man die pittoresken Kapitänshäuser mit mutigen Anbauten, jedes anders bunt bemalt. Ich erkundige mich nach Tavernen und Unterkunft, in der Nebensaison ist der Aufenthalt gar kein Problem und beides ist noch sehr billig. Hotels und Pensionen gibt es keine. Benzin bekommt man nur abends, da der Tankwart täglich mit dem Schiff unterwegs nach Limnos ist. Übrigens von dort kommen auch alle Frischwaren, sogar das Brot. Die im Dorf funktionierenden Geschäfte, führen eine Art unverderbliches Mischwarenangebot. Gemüse und Früchte, sowie Fleisch wird direkt vom Schiff angeliefert.

Ein Auto lohnt auf der Insel nicht, dafür ist ein Scooter sehr praktisch. In die wenigen Badebuchten führt nur eine Schotterstrasse. Vom Scheitelpunkt ist immer ein schöner Ausblick, dann geht es steil herunter. Man trifft nur sporadisch Menschen, dafür um so öfter Schafe und Ziegen. Gerade 272 ständige Inselbewohner sind demnach in krasser Minderheit. Das Militär verhält sich ziemlich diskret, ist aber omnipräsent.

Auf der ganzen Insel gibt es nur einige wenige Bäume, dafür viele vom starken Wind skurril verkrüppelte Sträucher. In den lang gezogenen und kurvenreichen Tälern trifft man an immer offene kleine Kapellen. Zurück von der Rundfahrt, die maximal einen Tag dauern kann, ist man überrascht, wie viele Fischerboote im Hafen ankern. Das Fischangebot ist trotzdem nicht markant reichhaltiger als woanders. Im Dorf funktioniert eine gemeinsame Kühlanlage, wo die Fischer ihren Fang lagern.

Eine Attraktion besonderer Art ist das große Gebäude der ehemaligen Schule. Der Bau erinnert an etwas belebtere Zeiten der Insel. Heute ist der Palast zum Jugendtreff mit Kultursaal umfunktioniert worden. Unweit davon ist ganz auf der Anhöhe, die die ganzen Inselseite dominiert, ein Friedhof. Um den Friedhof herum liegen ziemlich teure, kaum gebrauchte Teile einer (EU subventionierten?) Wind-Elektro-Mühle.

Am Abend versammeln sich gesellige Einwohner in den einzigen Tavernen, kaum jemand außer den Soldaten isst etwas. Beim Tavli oder einfach laut politisieren vergehen die langen Abende. Am Dorfende bereitete sich etwas Festliches vor. Von überall strömten sehr festlich gekleidete Insulaner und deren Verwandte, denen man sofort ansah, dass sie von Weitem oder sogar aus Übersee gekommen sind. Hohe Absätze, Schmuck und Boa kontrastierten mit dem umliegenden Kolorit. Es bahnte sich eine Hochzeitsfeier an. Fast alle Geladenen saßen in der offenen Wohnung herum, die auserwählten Gäste drängelten sich am Bettrand, mit den Brautpaar und unterhielten sich laut bei noch lauterer Musik, bis in die Morgenstunden - dann fuhr mein Schiff wieder zurück nach Limnos.

Es bleibt ein bisschen ein Rätsel, wovon diese Leute eigentlich leben, außer von der Schafzucht - die Insel ist mit Farmen nur spärlich besät, der Boden sehr karg und Wassermangel ist in aller Munde. Als ein weißer Fleck erscheint im linken oberen Küstenabschnitt der bewohnte Taltrichter mit der ovalen Naturhafenanlage, zusätzlich geschützt durch eine Brandungsmauer.

Geographie und Geschichte

Agios Efstratios (Άγιος Ευστράτιος), Ai Strati (Άη Στράτη) genannt, liegt in der nördlichen Ägäis etwa 30 km südlich von Limnos und 200 km nordöstlich von Athen. Die Verwaltungsregion ist die Nördliche Ägäis. 11 km lang, 6 km breit ist die Insel und hat eine Fläche von 50 km². Die höchsten Erhebungen sind ca 300 m hoch. Wegen seiner Bodenschätze war Agios Efstratios schon zu mykenischen Zeiten bewohnt. Die Siedlung der Mykener an der Nordküste wurde zu byzantinischen Zeiten aufgegeben, ist aber noch zu erkennen. Während des Bürgerkrieges bis 1963 waren zeitweise bis zu 6.000 Oppositionelle auf der Insel interniert. Die Gefangenen lebten überwiegend in Zelten und organisierten ihr Leben selbst; viele verhungerten. Nach dem Erdbeben vom Februar 1968, das den Hauptort und den Hafen der Insel zerstörte, wurde die Siedlung an höherer Stelle wieder errichtet.

Geschrieben 12.12.2007, Geändert 12.12.2007, 7550 x gelesen.

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